Gesetz, Lehrplan, Reglemente und Weisungen geben den Rahmen vor, innerhalb dessen das lokale/regionale Berufswahlkonzept erstellt wird.
Lektionentafel
Die Volksschule bereitet die Schülerinnen und Schüler auf den Eintritt ins Berufsleben und den Übertritt in weiterführende Schulen vor. In der Oberstufe ist mit Berufliche Orientierung (BO) ein eigener Fachbereich dazu ausgeschildert, der im Kanton St.Gallen deutlich stärker dotiert ist als in anderen Kantonen. Während die Lehrplanvorlage insgesamt eine Jahreswochenlektion für BO vorsieht, werden im Kanton St.Gallen an der Oberstufe 6 (Realschule) bzw. 3 (Sekundarschule) Jahreswochenlektionen dafür eingesetzt.
Seit dem Schuljahr 2021/22 kann die jährliche Dotation im Fachbereich «Berufliche Orientierung» (BO) angepasst werden. Während der gesamten Oberstufe besuchen die Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule 3 Wochenlektionen und jene der Realschule sowie der Kleinklasse 6 Wochenlektionen BO. Je Schuljahr findet BO während mindestens einer halben Wochenlektion statt. Eine Anpassung der Lektionentafel muss innerhalb der Schuleinheit einheitlich gestaltet und dokumentiert werden.
Die Lektionentafel der Oberstufe bietet den Schulen die Möglichkeit, Wahlfächer nach eigenen Schwerpunkten anzubieten. Für solche steht im Pool Freifächer ein Lektionen-Kontingent zur Verfügung.
Kantonsspezifische Ausführungen
In den Rahmenbedingungen des Lehrplans Volksschule ist festgehalten:
- Die Verantwortung für die Berufswahl liegt bei den Schülerinnen und Schülern und deren Erziehungsberechtigten. Die Klassenlehrperson sorgt im Rahmen des Bildungsauftrags für die Koordination der Aktivitäten der verschiedenen Akteure (Schülerinnen und Schüler, Erziehungsberechtigte, Lehrbetriebe, Berufs- und Laufbahnberatung usw.) und begleitet die Schülerinnen und Schüler im Prozess der beruflichen Orientierung und der Lehrstellensuche.
- Berufliche Orientierung wird in der Regel von der Klassenlehrperson unterrichtet. Es wird den Schulen empfohlen, ein lokales oder regionales Berufswahlkonzept zu erstellen. Die Unterrichtszeit in Beruflicher Orientierung kann auch genutzt werden, um klassenspezifische Anliegen zu bearbeiten.
- Im Fach Berufliche Orientierung sind zusätzlich folgende Kompetenzen des Fachbereichslehrplans für Wirtschaft, Arbeit, Haushalt zu unterrichten:
- WAH.1.1: Die Schülerinnen und Schüler können über die individuelle und gesellschaftliche Bedeutung von Arbeit nachdenken.
- WAH.1.2: Die Schülerinnen und Schüler können Anforderungen und Gestaltungsspielräume in Arbeitswelten vergleichen.
- WAH.5.2: Die Schülerinnen und Schüler können soziale, rechtliche und ökonomische Aspekte im Alltag und im Zusammenleben recherchieren.
«Klassenspezifische Anliegen» bedeutet etwa, dass auftretende Spannungen im Klassenverband, die einer Bearbeitung durch die ganze Klasse bedürfen, geklärt werden können oder die Zimmereinteilung des Winterlagers in diesem Zeitgefäss erfolgen kann. Es ist nicht im Sinne der Vorgaben, dass während der Unterrichtszeit für BO wöchentlich eine «Klassenstunde» zu lebenskundlichen Themen abgehalten wird. Der Lehrplan für BO ist – angereichert mit den drei Kompetenzaufbauten aus dem Fachbereichslehrplan Wirtschaft, Arbeit, Haushalt (WAH) – bereits reich bestückt und füllt die zur Verfügung stehende Unterrichtszeit im Fach BO aus. Die Inhalte zum Bereich Lebenskunde, die im Vorgänger-Lehrplan zusammen mit der Berufswahlvorbereitung und Gesundheitsförderung im Fach Individuum und Gemeinschaft bearbeitet wurden, sind neu im Fach Ethik, Religionen, Gemeinschaft (ERG) zu unterrichten.
Als obligatorisches Lehrmittel der Oberstufe wird im Kanton St.Gallen das Berufswahltagebuch vom Schulverlag plus verwendet.
Zur Vermittlung der Inhalte aus dem Fachbereichslehrplan WAH bieten verschiedene empfohlene WAH-Lehrmittel diverse Unterrichtsunterlagen an. Sie können im BO-Unterricht eingesetzt werden. Je Schülerin und Schüler steht jeweils ein Lehrmittel zur Verfügung. Daher sind Absprachen zum Lehrmitteleinsatz zwischen den Lehrpersonen für BO und für WAH nötig.
Wenn an einer Schule die Lehrmittel WAH mit Status «empfohlen» (durch den Kanton finanziert) eingesetzt werden, können diese auch für das Fach Berufliche Orientierung verwendet werden. Das WAH-Lehrmittel «Alltagsstark» umfasst rund 60 Seiten und eignet sich zum Unterrichten jener Kompetenzen, die im Kanton St.Gallen aus dem WAH-Lehrplan dem Fach BO zugeordnet sind. «WAHandeln» bietet ebenfalls Unterrichtsmaterial für diese Kompetenzen.
Das Lernfördersystem «Lernpass plus» für die Oberstufe ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, ihre Kompetenzen in bestimmten Fach- und Teilbereichen festzustellen und zu erweitern. Integriert in «Lernpass plus» ist der Stellwerk-Test als Standortbestimmung, dessen Durchführung in der 2. und in der 3. Oberstufe in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik obligatorisch ist.
Die Berufliche Nachbetreuung ist Teil des Grundangebots der Regelschule im Bereich Sonderpädagogik und ist beschrieben im kantonalen Sonderpädagogik-Konzept für die Regelschule.
- Schülerinnen und Schüler mit individuellen Lernzielen im Rahmen der integrativen Schulungsform sowie Schülerinnen und Schüler der Kleinklassen können während der Lehre oder Attestlehre durch die Schulische Heilpädagogin bzw. den Schulischen Heilpädagogen oder – falls es die Situation vor Ort erfordert – durch die Lehrperson der Realklasse in der Organisation des Lernens, in der Vorbereitung auf Prüfungen und im Erledigen von Hausaufgaben unterstützt werden.
- Die mit der beruflichen Nachbetreuung beauftragte Lehrperson steht auch den Eltern, dem Lehrbetrieb und der Berufsfachschule bei Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Anforderungen der beruflichen Ausbildung der Schülerin oder des Schülers in beratendem Sinn zur Verfügung.
Es steht den Schulträgern frei, ob sie die Berufliche Nachbetreuung anbieten wollen oder nicht. Berufsfachschulen bieten ebenfalls Förderkurse an für Lernende mit zusätzlichem Unterstützungsbedarf.
In Artikel 7 der Weisungen zu Besonderen Unterrichtsveranstaltungen sind solche zur Berufswahlvorbereitung beschrieben:
1 In Zusammenhang mit dem Fachbereich Berufliche Orientierung können ausserordentliche Veranstaltungen anfallen. Sie dienen der Berufswahlvorbereitung bzw. dem entsprechenden Bildungsauftrag.
2 Für Berufswahlpraktika und andere berufswahlvorbereitende Veranstaltungen der Oberstufe stehen während der drei Oberstufenjahre insgesamt bis 15 Unterrichtstage zur Verfügung. Die Schulbehörde kann weitere Unterrichtstage bewilligen.
Der Berufsauftrag der Volksschul-Lehrpersonen sieht vor, dass Klassenlehrpersonen jährlich eine Lektion weniger unterrichten und die dadurch freiwerdende Arbeitszeit (68 Stunden) für ihre Aufgaben im Arbeitsfeld «Schülerinnen und Schüler» eingesetzt werden kann. Dazu gehört unter anderem auch die individuelle Begleitung von Schülerinnen und Schülern und damit auch die Prozessbegleitung im Rahmen der Berufswahl. Zudem erhalten Klassenlehrpersonen eine jährliche Lohnzulage.
Der Berufsauftrag der Volksschullehrpersonen bietet den Schulträgern die Möglichkeit, Lehrpersonen eine Zusatzfunktion zuzuweisen und diese entsprechend durch Flexibilisierung in der Anstellung zu verankern. Es ist demnach auch möglich, einer Lehrperson mit Zusatzaufgaben im Bereich BO ein zusätzliches Pensum zu sprechen.
Der Berufswahlfahrplan stellt die verschiedenen Handlungs- und Entscheidungsschritte bis zum endgültigen Berufs- und Schulentscheid und bis zur Wahl des Lehrbetriebs oder der weiterführenden Schule in eine zeitliche Abfolge. Der Fahrplan stellt einen idealtypischen Ablauf dar und dient der Information der Schülerinnen und Schüler, der Erziehungsberechtigten und weiterer Beteiligter im Berufswahlprozess.
Der Berufswahlfahrplan dient der Schule zur Orientierung, Planung sowie Abstimmung mit anderen Akteuren. Der Fahrplan kann auf regionale und schuleigene Bedürfnisse angepasst und auch erweitert werden, sollte jedoch seine grundsätzliche Abfolge beibehalten.
Der individuelle Berufswahlprozess jeder bzw. jedes einzelnen Jugendlichen kann sehr unterschiedlich verlaufen und vom Berufswahl-Fahrplan der Klasse abweichen.
In den letzten Jahren haben sich einzelne Schritte zunehmend verkürzt. Lehrstellen-Ausschreibungen haben sich in verschiedenen Branchen deutlich vorverlagert und für die Schule stellt sich die Frage, ob sie ihre vorbereitenden Aktivitäten entsprechend ebenfalls früher durchführt oder an ihrem Fahrplan festhält. Denn aus einer Vorverlagerung resultiert praktisch eine Verkürzung des ganzen Berufswahlprozesses.
Eine Positionierung zu dieser Thematik kann im lokalen Berufswahlkonzept erfolgen und soll in regelmässigen Abständen überprüft werden.