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Der Kanton anerkennt und schätzt die wichtige gesellschaftliche Rolle der verschiedenen Religionsgemeinschaften. In diesem Sinne sollen Menschen in unserem Kanton ihren Glauben in einem sicheren Umfeld leben und feiern können. Der Kompass zur Prävention von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch im religiösen Kontext soll dazu beitragen, dass religiöse und staatliche Stellen ihrer Verantwortung gegenüber rat- und hilfesuchenden Menschen gerecht werden.

Was will der Kompass?

Der Kompass wurde im Rahmen der St.Galler Konferenz zu Fragen von Religion und Staat erarbeitet. Er dient als gemeinsamer Orientierungsrahmen für die Prävention von Grenzverletzungen und Machtmissbrauch, insbesondere in Form von psychischer und sexueller Gewalt, im religiösen Kontext. Der Kompass soll als Ausgangspunkt für die Präventionsbemühungen und damit verbundene Entwicklungsprozesse in den einzelnen Religionsgemeinschaften dienen.  

Das Ziel ist es, durch eine gemeinsame Haltung die Zusammenarbeit und Vernetzung in der Prävention unter den Religionsgemeinschaften zu fördern. Dabei werden auch die Handlungsfelder Intervention und Nachsorge/Aufbereitung in den Blick genommen. Neben religiösen Organisationen kann der Kompass auch für die interessierte Öffentlichkeit sowie für die Betroffenen von Machtmissbrauch eine Orientierungshilfe darstellen.  

Den an diesem Kompass Beteiligten ist bewusst, dass sich die Religionsgemeinschaften stark unterscheiden, auch was die Grösse, Strukturen und Ressourcen betrifft. Deshalb wird es nicht allen gleichermassen möglich sein, sämtliche Aspekte des Kompasses in der gleichen Detailliertheit und zeitnah umzusetzen. Der Kompass gibt aber allen Beteiligten eine klare Richtung bezüglich Haltung und künftigen Entwicklungen vor. Im Kompass finden sich aktuelle Links zu weitergehenden Informationen, Unterlagen, Weiterbildungen und Veranstaltungen – mit dem Ziel, dass Religionsgemeinschaften sich in diesen Fragen vernetzen und voneinander lernen.

Im Folgenden sind konkrete Leitsätze und Massnahmen seitens der Religionsgemeinschaften («wir») formuliert, welche diese in der Praxis umsetzen können. Diese beziehen sich auf drei Handlungsfelder der Prävention sowie auf Intervention und Aufarbeitung. Diese Felder stellen zugleich zentrale Elemente eines umfassenden Schutzkonzepts einer Organisation dar. 

Prävention

Aus- und Weiterbildung

  • Wir setzen uns dafür ein, dass die Prävention von Machtmissbrauch bereits in der Ausbildung der Mitarbeitenden angemessen verankert ist.
  • Wir organisieren regelmässige Weiterbildungsangebote und verbindliche Schulungen für Leitungspersonen, Angestellte und Freiwilligenverantwortliche zur Thematik. Wir können dafür auch auf die Erfahrung und die fachlichen Kompetenzen der öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften zurückgreifen.
  • Wir organisieren regelmässig öffentliche Sensibilisierungsveranstaltungen, Vortragsabende usw. für Freiwillige, Engagierte und Interessierte in unserer Religionsgemeinschaft. 

Risikomanagement

  • Wir kennen die wichtigsten Risikosituationen in unserer Religionsgemeinschaft. Wir schaffen Strukturen und Standards für einen transparenten und verantwortungsvollen Umgang von Religionsvertretenden und Leitungspersonen mit Macht sowie für ein professionelles Verhalten in Risikosituationen zum Schutze aller.
  • Wir fördern eine Kultur in der solche Situationen besprochen werden können, indem wir aktiv kritisches Feedback (z.B. von Kolleginnen und Kollegen) einholen und Irritationen in Risikosituationen ansprechen.
  • Wir legen Qualitätsstandards in einem verbindlichen Verhaltenskodex fest und machen damit verborgene Risiken und Machtkonstellationen sichtbar und besprechbar.

Personalführung

  • Wir wählen das Personal, das insbesondere mit Minderjährigen und weiteren vulnerablen Personengruppen arbeitet, sehr sorgfältig aus. 
  • Wir verlangen von allen Bewerbenden einen Privat- und einen Sonderprivatauszug aus dem Strafregister und bestehen darauf, mindestens eine Referenz von der letzten Arbeitsstelle zu erhalten. Mögliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit grenzverletzendem Verhalten (Nähe und Distanz) oder strafbaren Handlungen werden dabei explizit nachgefragt.
  • Wir schulen und unterstützen die Mitarbeitenden mit Personalverantwortung im Umgang mit Grenzverletzungen im nicht strafrechtlichen Bereich. 

Intervention: Opferberatung, Meldestellen, Fallbearbeitung

  • Wir ermöglichen ein angstfreies Klima und einen geschützten Raum für Meldungen in Form einer internen und/oder externen Meldestelle mit niederschwelligem Zugang.
  • Wir kennen die Angebote der unabhängigen Opferhilfe SG-AR-AI und informieren unsere Mitglieder proaktiv darüber. Betroffene, die sich bei uns melden, weisen wir konsequent auf dieses Angebot und auf die Möglichkeit einer Anzeige bei der Polizei hin.
  • Wir sorgen dafür, dass die Aufgaben der Meldestelle, die Abläufe nach einer Meldung, die Verantwortlichkeiten in der Fallbearbeitung und Fallführung, sowie die Zusammensetzung und Funktion eines Krisenstabs in einem Interventionskonzept verbindlich geregelt und allen Verantwortlichen bekannt sind.

Nachsorge und Aufarbeitung als Aufgaben der eigenen Institution

  • Wir nehmen die Erfahrung und das Leid Betroffener ernst. Wir sind entschlossen, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen und uns, unter Einbezug der Betroffenenperspektive, als lernende Organisation weiterzuentwickeln.
  • Wir schaffen die Voraussetzungen für eine achtsame Aufarbeitungs- und Nachsorgekultur. Diese ist Teil unseres Schutzkonzepts und regelmässig Thema bei Weiterbildungen für Führungspersonen.
  • Wir setzen uns bei Vorfällen von sexueller Gewalt für eine lückenlose Aufklärung und für Transparenz in der Öffentlichkeitsarbeit ein, unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte Betroffener und Beschuldigter.

Noch offene Fragen?

Chompel Balok

Stv. Generalsekretär

Kanton St.Gallen Departement des Innern

Generalsekretariat

Klosterhof 3
9001 St.Gallen