Rund 20’000 ha des St.Galler Waldes weisen ein hohes ökologisches Potenzial auf. Dies entspricht rund einem Drittel der Gesamtwaldfläche. Davon sind rund 12’000 ha gemäss der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung schützenswert. Das Konzept «Nach NHG geschützte Waldgesellschaften und andere wertvolle Waldlebensräume» beschreibt diese Waldlebensräume, ihre kantonale Ausbreitung und definiert den waldbaulichen Umgang.
Allgemeines
Der Typ umfasst mehr oder weniger stark vernässte Standorte unterschiedlicher Höhenstufen auf wasserstauenden Unterlagen (Lehmböden), häufig in Muldenlagen. Die Artenvielfalt entsteht dank der Mosaik von sehr unterschiedlichen Kleinlebensräumen (permanent bist zeitweilig vernässte Böden abwechselnd mit trockenen Partien). Die Einheiten der Tieflagen (Schwarzerlen-Eschenwald, Schwarzerlen-Bruchwald, Mulden-Ulmen-Eschenwälder) sind hoch spezialisierte Pflanzengesellschaften, die eine grosse Pflanzen- und faunistischen Vielfalt (Vögel-, Amphibien- und Insektenarten) aufweisen. Viele Arten dieses Lebensraumes sind besonders gefährdet. Bei den Hauptbaumarten sind je nach Waldgesellschaft die Schwarz- und Grauerle, der Bergahorn, die Bergulme und die Stieleiche zu finden, sowie auch diverse Pionierbaumarten, die viel Licht erfordern und eine starke Vernässung ertragen (Traubenkirsche, Schwarzpappel, Zitterpappel, Salweide, Hängebirke).
In einigen Waldgesellschaften dieser Gruppe ist die Esche die Hauptbaumart. Hier macht sich das Eschentriebsterben besonders stark bemerkbar.
Häufig befinden sich Muldenwälder in einer Nachbarschaft mit Riedwiesen. Diese wurden früher landwirtschaftlich genutzt und blieben daher unbestockt. Die gehölzfreie Periode bereichert die Artenvielfalt bis heute.
In der Vergangenheit wurden diese Waldflächen oft mit Gräben entwässert und mit Nadelholz bepflanzt. Die Regeneration dieser Standorte erfolgt über einen entsprechenden Rückbau, d.h. meist über die Aufhebung von Entwässerungsgräben und die Regulierung der Baumartenmischung.
Das Projekt Waldvernässung Turpenland
Ein Waldstück nördlich von Rapperswil-Jona zählt zu den schönsten und artenreichsten Feuchtwäldern des Kantons. Das Wasser war aber nicht immer so präsent wie jetzt. Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fiel der Wald einer grossflächigen Entwässerung zum Opfer. Die Moore wurden trockengelegt, um Torf als Brennmaterial zu stechen. Während des 2. Weltkriegs folgte teilweise der Anbau von Feldfrüchten. In den 1960er Jahren wurde zudem die Autobahn A15 quer durch den nördlichen Teil des Waldes gebaut.
Die Rückkehr des Wassers
Die Stadt und die Ortsgemeinde Rapperswil haben seit der Jahrtausendwende mehrere Hektaren Wald wieder zu dem natürlichen Zustand zurückgeführt. Dazu wurden Entwässerungsgräben zugeschüttet und an manchen Stellen baute man aus Lehm Deiche und Staubecken, um das Wasser vor dem Abfliessen zu hindern. Jetzt wachsen auf diesen Flächen Schwarzerlen, Eschen und Traubenkirschen in die Höhe. Dazwischen gibt es Lichtungen, auf denen vielen Pflanzenarten gedeihen, darunter auch Orchideen. Wer das Gebiet im Frühling und Sommer besucht wird von dem Quaken der Frösche und Unken begleitet, die sich in den Moortümpeln angesiedelt haben.
Die Wirkung der Wiedervernässung zeigt sich auch in den vielen abgestorbenen Fichten. Ihre in den Himmel ragenden Skelette sind ein Eldorado für Spechte. Wenn ein Stamm schliesslich durchhöhlt von fortgesetzten Meisselhieben der Spechte zusammenbricht, führen holzzersetzende Pilzarten den Abbauprozess weiter.
Die Rückkehr des Wassers und der einhergehende Anstieg an Totholz liessen die Biodiversität nach oben schnellen. Heute besiedeln rund dreissig Libellenarten die lichtdurchfluteten Tümpel. Dazu kommen Schmetterlinge, Heuschrecken und eine ganze Parade von Amphibien, insbesondere Unken als ihre häufigsten Vertreter.
Die Förderung der Biodiversität geht Hand in Hand mit der Holznutzung. Es werden alle acht Jahre rund fünfzig Kubikmeter Holz genutzt. Das entspricht etwas mehr als der Hälfte des Holz-Zuwachses. Das langfristige Ziel besteht in einem Wald, der zu hundert Prozent aus Laubbäumen zusammengesetzt ist. Daher werden heute vor allem die standortfremden Fichten genutzt, deren Zeit ohnehin abgelaufen ist. In einem Feuchtwald reicht der Grundwasserspiegel bis wenige Zentimeter unter die Erdoberfläche. Bei diesen Wasserständen überleben langfristig nur Baumarten, denen Wasser nichts ausmacht.
Uraltbäume aus der Zeit Napoleons
Hier wachsen ausserdem Bäume, die bereits zu Zeiten Napoleons keimten und heute als seltene Waldriesen Behausung und Nahrung für Hunderte von Lebewesen bieten. Dazu zählen unter anderem Eichen, die über 200 Jahre alt sind.
Grosse und alte Bäume sind Biodiversität-Hotspots. Ihre Rinde wird von Moos und Flechten überwuchert, in denen sich Ohrwürmer, Spinnen und Bücherskorpione tummeln. In herausgefaulten Baumhöhlen hausen Fledermäuse und auf dem Laub der mächtigen Krone fressen die Raupen Dutzender Schmetterlingsarten.
Der Erhalt dieser so genannten Uraltbäume ist eines der wichtigsten Schutzziele des Gebiets. Langfristig soll es hier mindestens fünf Altbäume pro Hektare geben.
Auenwälder werden mehr oder weniger regelmässig überschwemmt und ändern nach ausserordentlichen Hochwasserereignissen immer wieder ihr Aussehen und den Standort.
Kein anderes Waldökosystem der Schweiz unterliegt einer derartigen Dynamik wie der Auenwald. In einer naturnahen Flussaue ist eine ausgeprägte, durch unterschiedliche Überflutung geschaffene Zonierung zu beobachten. Oberhalb des Niederwassers können sich infolge der langandauernden Überflutung meist nur kurzlebige, krautige Pflanzen ansiedeln. Erst über dem Mittelwasser erscheinen Gehölze.
Auf Flächen, die insgesamt nicht länger als etwa vier Monate unter Wasser stehen, gedeiht die Weichholzaue. Nur Arten mit schnellem Wachstum, biegsamen Ästen und gutem Regenerationsvermögen, eben die Weichhölzer (Erlen, Weiden), vermögen hier zu überleben. Silberweiden und eingestreute Schwarzpappeln bauen die Silberweidenaue auf. Deutlich über dem Mittelwasser liegt die Grauerlenaue, die aber noch von jedem Hochwasser erfasst wird.
Über den regelmässigen Hochwassern liegt die nur noch von sporadischen Spitzenhochwassern überschwemmte Hartholzaue. Der ständig hohe Grundwasserstand begünstigt nässetolerante Harthölzer wie Eschen und Ulmen, sowie eingestreute Stieleichen und Bergahorne. Die flussnahe Hartholzaue über kiesigem Grund und ständig dicht unter der Oberfläche stehendem Grundwasser besiedelt der Typische Ulmen-Eschen-Auenwald. In flussferneren, sandig-lehmigen Auenbereichen wächst der Eschenmischwald. Auch in den höheren Vegetationsstufen (montan-subalpin), im Bereich von Bächen und Flüssen können sich auf den nassen, überschwemmten Böden Grauerlenwälder etablieren. Im Gebirge sind sie oft mit Fichten durchgesetzt.
Naturkundliche Bedeutung
Dank der Wasserdynamik zeigen die Auenwälder eine aussergewöhnliche grosse Vielfalt. Sie sind Lebensraum zahlreicher, stark bedrohter und teilweise nur in diesem Habitat lebenden Pflanzen und Tieren wie beispielsweise Schwarzpappel, Laubfrosch, Teichmolch, Pirol, Nachtigall, Kleinspecht oder Turteltaube. Hinzu kommen zahlreiche in und am Weichholz sowie Totholz lebende Insekten wie etwa der Weidenbock oder der Kleine und der Grosse Schillerfalter. Für viele uferbrütende Vögel sind die Auenwälder von besonderer Bedeutung.
Gemäss der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung ist für die Auengebiete, die im Bundesinventar liegen, ein grundeigentümerverbindlicher Schutz im Rahmen der kommunalen Schutzverordnungen zu regeln.
Die Waldgesellschaften der Auen erreichen im Kanton St.Gallen rund 1‘000 ha. Rund 30% der Gesamtfläche liegt in nationalen und regionalen Inventarobjekten sowie in Waldreservaten.
Bedrohung der Auenwälder
In ganz Europa wurden in der Vergangenheit viele Auwälder abgeholzt und zu Weideland umgewandelt. Der Wunsch, die Flussläufe zu regulieren und möglichst ganzjährig schiffbar zu machen, hat dann, vor allem in Mitteleuropa, nur noch Reste des ursprünglichen Auenwaldvorkommens übriggelassen. Wegen der vielen Eingriffe in die Fliessgewässerdynamik haben viele Waldflächen den typischen Auenwaldcharakter verloren. Viele Flächen wurden ausserdem mit Fichten oder anderen standortfremden Baumarten aufgeforstet.
Das Ulmen- und das Eschentriebsterben (auch als Eschenwelke bekannt) sind schwere Baumkrankheiten, die von eingeschleppten Pilzen verursacht werden, und die zwei typischen Baumarten der Hartholzauen befallen. Das Absterben dieser Baumarten beeinflusst die Lebensgemeinschaft der Auen negativ. Die Zukunft dieser zwei Baumarten ist ungewiss. Eine Chance für viele Waldarten bildet hingegen die Zunahme des Totholzvolumens.
Invasiven Neophyten sind im Lebensraum Aue besonders häufig vertreten. Auch die Niele tritt häufig als Problempflanze auf. In wertvollen Lebensräumen (Kiesbänke, lichte Nassstellen, Uferbereiche von Altarmen, lichte Bestände der Hartholzaue, usw.) erfordern diese Arten eine rechtzeitige, rigorose Bekämpfungsstrategie.
Pflegemassnahmen
Ein intakter Auenwald erhält sich von sich selbst und braucht im Normalfall keine forstlichen Eingriffe. Das Ziel des Auenschutzes ist die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fliessgewässerdynamik. Durch wasserbauliche Massnahmen können Flussläufe und Flussabschnitte renaturiert und eine gewisse Wasserdynamik wiederhergestellt werden, damit sich die Auenbereiche wieder etablieren können.
Waldbauliche Massnahmen und die zusätzliche Schaffung von Biotopen im Wald können Teil einer Revitalisierung sein, insbesondere, wenn eine Wiederherstellung der Dynamik nicht möglich ist. Sie können zur Erhaltung des Lebensraummosaiks beitragen und dafür sorgen, dass eine dem natürlichen Auensystem ähnliche Vegetation entsteht. Die Entfernung der standortfremden Baumarten (wie Fichte usw.) können auch dazu beitragen, einen Teil der ursprünglichen Flora der Hartholzauen zu erreichen.
Das Ausbaggern von verlandenden (ehemaligen) Gewässern innerhalb des Waldes, vorzugsweise vernetzt mit bestehenden Altläufen, und das Anlegen von Tümpeln tragen zur Erhaltung der von der ursprünglichen Dynamik geschaffenen Strukturen und Arten bei.
Wo Seitenbäche Wasser in die Hartholz-Aue führen, können durch Umleitung und Aufstau Stellen mit wiederkehrender Vernässung geschaffen werden.
Immer mehr Biberreviere werden im Wald festgestellt. Biber gestalten ihren Lebensraum aktiv. Sie schaffen in Fliessgewässern Teiche, erhöhen lokal den Grundwasserspiegel und schaffen Feuchtflächen, fällen Bäume und lichten den Uferwald auf, bringen Licht auf den Boden und vergrössern das Totholzangebot. Das Vorkommen von Bibern bedeutet ein grosses Potenzial für das Wiederherstellen von feuchten Wäldern. Begleitend ist ein Bibermanagement nötig, das den Biberbestand, die Verhütung und Vergütung von Schäden und ein Monitoring gewährleistet.
Ein Moorwald ist ein Wald auf Standorten mit wassergesättigtem Boden, mit einer Auflage von manchmal sehr mächtigen Torfschichten (70 cm und mehr). Die flachwurzelnden Bäume (z.B. Fichte) erreichen den Mineralgrund nicht mehr. Moorwälder stocken auf mehr oder weniger sauren, meist nährstoffarmen Standorten an der Nässegrenze des Waldes. In den oberen Lagen (hochmontan-subalpin) gedeihen auf diesen Standorten die Fichte (Moorrand-Fichtenwald) und die Bergföhre (Torfmoos-Föhrenwald). Diese sind oft von Vogelbeere, Moorbirke und Weidenarten begleitet. In den unteren Lagen gedeihen die Waldföhre und die Moorbirke (Föhren-Birken-Bruchwald). Der Standort ist genauso stark vernässt, aber nährstoffreicher, insbesondere reicher an Stickstoff. Diese Waldstandorte stehen meist in engem Verbund mit offenen Hochmoor- oder Flachmoorgebieten. Dank der lockeren und gestuften Struktur sind sie Lebensraum für lichtliebende – oft hochspezialisierte – Arten und haben einen grossen Landschaftswert.
Mit insgesamt rund 300 ha erreicht diese Standortgruppe nur 0.5% der gesamten Waldfläche im Kanton St.Gallen. Viele Moor- und Moorrandwälder (wie auch Bruch- und Muldenwälder) wurden zur Verbesserung der Wuchsbedingungen im Wirtschaftswald entwässert. Diese Standorte haben sich zu trockeneren Waldgesellschaften entwickelt und sich heute fast nicht mehr zu erkennen.
Naturkundliche Bedeutung
Neben dem lückigen Baumbestand prägen eine üppige Decke von Heidelbeere und ständig nasse, dichte Moospolster das Bild des Moorrand-Fichtenwaldes. Die Staunässe des Standortes und die mächtige, saure Torfauflage lässt nur wenige Blütenpflanzen, dafür umso mehr Moose gedeihen. Der triefnasse Moosteppich verrät seinen Artenreichtum durch die unterschiedlichsten Grüntöne. Besonders bezeichnend sind die verschiedenen Torfmoose. Im Herbst überziehen sich manche Torfmoosarten mit intensiven Rottönen.
Auf den extrem sauren und häufig durchnässten Torfböden erreichen die Bergföhren im Torfmoos-Föhrenwald eine Höhe von 15 bis 20 m. Häufig erscheinen sie aber nur als kriechende Gebüsche. Sie sind oft knorrig und bilden einen sehr lockeren Wald mit nordisch anmutender Schönheit. Ihren farblichen Höhenpunkt erreicht diese Waldgesellschaft im Herbst, wenn sich manche Torfmoose und die Blätter der Moorbeere blutrot färben und die leuchtend gelben Gräser das dunkelgrüne Nadelkleid der Bergföhre kontrastieren. Die Krautschicht wird besonders an trockenen Stellen von einem Zwergstrauchteppich von Moorbeere, Heidelbeere und Besenheide bedeckt. Das Wollgras, das Pfeifengras und andere Seggenarten aus dem Hochmoorbereich bilden rasige Flächen in den zahlreichen Lücken des Baumbestandes. Der Torfmoos-Bergföhrenwald gedeiht auf rein organischem Hochmoortorf, der durch den unvollständigen Abbau der Torfmoose an manchen Stellen mehrere Meter Dicke erreicht hat. Der Kontakt zum mineralischen Untergrund und zum Grundwasser ist vollständig abgebrochen. Die Nährstoffversorgung erfolgt vorwiegend durch Staubeintrag.
Diese seltenen Waldstandorte sind Lebensraum für verschiedene hoch spezialisierte Gefässpflanzen, Moose, Flechten (darunter auch Baumflechten) und Tierarten (verschiedene Tagfalter, Libellen, Käfer, Reptilien, Vögel wie Auerhuhn, Birkhuhn, Waldschnepfe, usw.). Die Kraut- und Moosschicht weist lichtliebende Arten auf, die auch für den baumfreien Hochmoorbereich typisch sind. Für die Moorgebiete, die im Bundesinventar aufgenommen sind, ist ein grundeigentümerverbindlicher Schutz im Rahmen der kommunalen Schutzverordnung zu regeln.
Bedrohungen der Hochmoor- und Moorrandwälder und Pflegemassnahme
- Zerstörung des Wasserhaushalts: Früher wurden Moore systematisch entwässert, um neue Produktionsflächen für die Land- und Forstwirtschaft zu erschliessen. Gleichzeitig gewann man den wertvollen Rohstoff Torf, vor allem als Brenn- und Streumaterial. Durch die Torfnutzung konnten in vielen Regionen die hohen Belastungen der Wälder durch Brennholz- und Streunutzungsrechte reduziert werden. Viele Moore sind heute von Entwässerungsgräben und Torfabbauflächen zerschnitten bzw. zerteilt. Ihre Torfkörper sind oft stark gesackt, zersetzt und durch erhebliche Reliefunterschiede geprägt. Auf den Restflächen ist der Moorwasserhaushalt gestört. Im Rahmen von Aufwertungs- und Regenerationsprojekten soll der Wasserhaushalt saniert werden. Dieser soll überwiegend durch das Schliessen ehemaliger Entwässerungsgräben wiederhergestellt werden. Sobald das Wasser wieder dauerhaft oberflächennah ansteht, kann sich die typische Hochmoorvegetation wieder etablieren. Die Situationen sind im Detail zu analysieren und die Ziele für jeden einzelnen Sektor des Moores festzulegen. Projekterfahrungen, Anleitungen und Empfehlungen zum Thema sind vorhanden. Solche Projekte wurden z.B. in den Gebieten Gamperfin, Salomonstempel, Bergwies und Andwiler Moos durchgeführt.
- Beweidung: In höheren Lagen werden teilweise Bereiche der Moorvegetation beweidet, was die Standorts- und Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere verändert. Die Trittbelastung wird eindeutig als stärkste Folge der Beweidung empfunden – der Düngeeffekt ist dabei untergeordnet. Das Ausmass der Trittschäden ist abhängig von der Intensität der Beweidung, der Witterung und von der Bodenart. Die ökologischen Schäden umfassen in erster Linie negative Veränderungen der Standortsverhältnisse und somit der allgemeinen Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen. Daneben geht es auch um die direkte oder indirekte Zerstörung von Einzelpflanzen. Auch ein Einfluss auf die Baumartenzusammensetzung ist anzunehmen (z.B. ein Zurückdrängen der Vogelbeere oder der Moorbirke). Einen weiteren Einfluss gibt es bezüglich der Verbuschung. Er ist in höheren Lagen weniger gross als in tiefen Lagen. Für beweidete Gebiete gilt es, die negativen und allfälligen positiven Auswirkungen zu prüfen. Dabei können Kontrollzäune helfen. Im Falle eines negativen Einflusses ist der Beweidungsdruck entsprechend anzupassen oder gar einzustellen.
- Nutzungen: Frühere intensivere Nutzungen, im Zusammenhang mit Entwässerungsmassnahmen, können dazu geführt haben, dass die Baumarten des Naturwaldes verdrängt wurden und die natürliche Bestandesstruktur verschwunden ist (dunkle, dichte Fichtenwälder im Randbereich von Mooren und Moorwäldern). In diesen Fällen kann eine entsprechende, langfristige Pflege mit einer klaren Zielsetzung erfolgsversprechend sein. Eine Entbuschung der Bestandeslücken und der offenen Flächen ist unter Umständen notwendig, um die Moorvegetation vor dem Bewaldungsprozess zu schützen.
Im Rahmen der Förderung der Waldbiodiversität sind vom Kantonsforstamt St.Gallen für die Pflege und Wiederherstellung der nach der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung geschützten Waldgesellschaften Förderbeiträge vorgesehen.
Linden (Winterlinde und Sommerlinde) gelten bei uns als schönste, nützlichste und geschichtsträchtigste Laubbäume. In der Schweiz ist die Winterlinde häufiger als die Sommerlinde. Beliebt sind Linden als Park- und Alleebäume sowie als mächtige Einzelbäume auf Dorfplätzen. Beide Arten können in Ausnahmefällen über 1000 Jahre alt werden. «Die Linde kommt 300 Jahre – steht 300 Jahre und vergeht 300 Jahre», so ein oft gelesenes Zitat. Freistehend sind beide Lindenarten wohlgeformte, stattliche Bäume mit kurzem, bis zu 3 m dickem Stamm mit einer von starken, knorrigen Ästen getragenen, tief herabreichenden, weitausladenden, runden Krone. Im geschlossenen Waldbestand bilden die Linden hingegen meist einen langen, astfreien, mit einer schwach borkigen, graugrünen Rinde versehenen Stamm.
Im Mittelalter waren die Linden wegen ihrem Wiederaustrieb, respektive der vegetativen Verjüngung aus Stockausschlag bei der Nieder- und Mittelwaldbewirtschaftung geschätzt. Danach verlor sie an waldbaulicher Bedeutung, auch Aufgrund geringer Holznachfrage.
Die Lindenmischwälder beschränken sich heute auf die tieferen Lagen, die gut besonnt sind, am Fuss von Geröllhalden, auf Hangschutt oder zerklüfteten Felsfluren, mit mehr oder weniger Steinschlagaktivität. Die Linden profitieren vom Schuttcharakter der Standorte. Zwischen den Schuttpartikeln befindet sich oft ein Hohlraumsystem, das wenig konsolidierte Feinerde enthält und nur wenig Wasser speichern kann. Dies ist wahrscheinlich verantwortlich für die extreme Buchenfeindlichkeit der Standorte. Sommer- und Winterlinde sind wärmebedürftig, trockenresistent, schattenertragend, unempfindlich gegen Seitendruck, aber zugleich auch konkurrenzschwach. Dank der Trockenheitsresistenz wird die Linde als «klimafitte Baumart» betrachtet.
Alle Linden-Waldgesellschaften sind gemäss der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung geschützt und gehören zu den national prioritären Lebensräumen (Priorität: sehr hoch). Die Linden-Waldgesellschaften erreichen zusammen im Kanton St.Gallen eine Fläche von knapp 700 ha. Ihre Baumartenmischung ist noch relativ naturnah. Die oft von Stockausschlag umsäumten Stämme der Winterlinde erreichen gut 25 m Höhe und werden von eingestreuten Spitz- und Feldahorn, Esche und Sommerlinde begleitet. Der allgegenwärtige Efeu wuchert oft bis in die Baumkrone hinauf.
Der «Typische Turinenmeister-Winterlindenwald» kommt im milden Föhn-Gebieten vor, die von Bergen vor Nordwinden geschützt sind. Grössere Bestände sind eher selten. Einer der bekanntesten und grössten Lindenwälder in der Schweiz ist der Seerenwald zwischen Betlis und Quinten an den Südhängen des Walensees. Das Waldgebiet ist seit 2011 als Waldreservat ausgeschieden.
Naturkundliche Bedeutung
Linden haben einen hohen ökologischen Wert. Durch ihr feingliedriges, tiefgehendes Herzwurzelwerk werden die Waldböden gefestigt. Das sich schnell, innert Jahresfrist zersetzende, viel Eiweiss und Kalk enthaltende Lindenlaub verbessert die Bodenqualität wie kaum eine andere Baumart. Auch für Mensch und Tier sind Linden seit alters her ein Segen. Wir Menschen schätzen die Heilkräfte, beispielsweise als Lindenblütentee. Der würzige Duft der Blüten lockt zahlreiche Insekten an und bietet vor allem Bienen eine ausgezeichnete Weide.
Aufschlussreiche Erfahrungen bezüglich Verjüngung und Förderung der Waldbiodiversität wurden im Waldreservat «Seerenwald» gesammelt.
Die natürliche Verjüngung der Linde benötigt früh viel Licht zur Weiterentwicklung. Im geschlossenen Bestand kann sich die Linde nicht verjüngen, weshalb Lindenverjüngung heute in vielen Gebieten weitgehend fehlt. Sie funktioniert in erster Linie mit Stockausschlägen. Lindenverjüngung aus Kernwüchsen ist selten, aber dennoch vorhanden. Aufgrund des starken Waldrebe- und Sommerfliederaufkommens sowie des Wildverbisses nach den starken Auflichtungen wurden in den letzten Jahren schwächere Pflegeeingriffe vorgenommen. Man hofft die Linde auch so fördern zu können. Dass damit die wärmeliebende Krautschicht weniger gefördert wird, wurde bei diesem Versuch in Kauf genommen.
Das Kronendach der Lindenwälder weist häufig natürliche Lücken auf - die Schuttaktivität ist dabei entscheidend. Die typische Strauch- und Krautschicht weist auch lichtbedürftige Arten auf. Wie das Projekt «Seerenwald» zeigt, können die Artenvielfalt und der Deckungsgrad der Kraut- und Strauchschicht mit Auflichtungen über mehrere Jahre stark erhöht werden. Auflichtungen haben auch eine grosse positive Wirkung auf die Insektenvielfalt. Untersuchungen im «Seerenwald» über Tagfalter und Heuschrecken zeigen einen deutlich positiven Effekt von starken Auflichtungen. Bei den Tagfaltern verdoppelte sich der kumulierte Artenpool des Seerenwaldes, bei den Heuschrecken verdreifachte er sich sogar. Es gibt Arten, die sich dauernd neu ansiedeln und solche, welche die aufgelichteten Flächen nur vorübergehend nutzen. Das Maximum bei den Tagfaltern tritt im 3. und 4. Jahr nach dem Holzschlag auf. Nach 6 Jahren nimmt die Wirkung deutlich ab (ohne Nachpflege). Bei den Käfern hat im «Seerenwald» die Erhöhung der Heterogenität durch die Holzschläge einen klar positiven Effekt. Mehr Licht und Wärme erhöhen die Arten- und Individuenzahl. In der Untersuchung Seerenwald bestätigt sich, dass das Liegenlassen des anfallenden Holzes vor Ort mitentscheidend ist. Die waldbaulichen Eingriffe entsprechen nicht dem Normalfall – da sämtliches anfallende Holz vor Ort liegengelassen wurde – eher entsprechen sie einer Imitation von natürlichen Störungen.
Mit waldbaulichen Eingriffen kann gezielt Totholz gefördert werden. Im «Seerenwald» werden Baumgruppen jeweils zu ihrer Mitte hin «zu Haufen» gefällt und nicht zusammengesägt. Dieses liegende Totholz am Haufen bleibt längere Zeit besonnt, als wenn die Stämme einzeln am Boden liegen. Ausserdem entstehen grössere Flächen, die frei von liegendem Ast- und Stammmaterial sind. Damit kann sich auf dem mageren, schuttreichen Boden die Kraut- und Strauchvegetation entwickeln.
Oft befinden sich Block- oder Steinschutt oder anstehender Fels, welche nur langsam oder gar nicht bewaldet werden, innerhalb oder in naher Umgebung der Waldstandorte. Die Offenhaltung oder Auflichtung solcher Strukturen durch Eingriffe in die Baum- und Strauchschicht in oder um diese Kleinstandorte herum ist für die Vielfalt sehr wichtig. Je seltener sie sind, umso wichtiger ist die permanente Offenhaltung dieser Strukturen. Im Seerenwald erwiesen sich für Tagfalter und Heuschrecken jene Flächen als besonders wertvoll, die in Kontakt zum Freiland oder den obenliegenden, offenen Steilhängen standen. Felsbänder spielen für einige besondere Arten die entscheidende Rolle.
[1] Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG)
Diese Waldgesellschaften sind typisch für schutthaltige Standorte, mit mehr oder weniger Instabilität des Schuttmaterials und kommen meist unterhalb von Felswänden, im Transit- oder Ablagerungsgebiet von Steinschlag vor. Sie sind auch von einer hohen Luftfeuchtigkeit und eher schattiger Hanglage charakterisiert. Die feinerdearmen und grobblockigen Schutthalden stellen ein Standort mit schwierigen Wuchsbedingungen dar. Unter diesen Standortseigenschaften gedeihen vor allem der Bergahorn, die Bergulme und in einigen Einheiten auch die Esche. Sie sind hier konkurrenzfähiger gegenüber der Buche, der Fichte und der Tanne. Das typische Bild von diesen Waldbeständen sind mächtige Bergahorne mit oft grün bemoosten Stämmen und Kronen, auf Kalkblockhalden, die mit einer dicken Moosschicht überzogen sind.
Alle Waldgesellschaften sind national prioritär. Die Waldgesellschaften der Schluchtenwälder auf Blockschutt erreichen zusammen in Kanton St.Gallen eine Fläche von 1‘040 ha, also nur 1,6% der kantonalen Waldfläche. Der Grossteil der Schluchtenwälder auf Blockschutt liegt im Schutzwald.
Naturkundliche Bedeutung
Ein typischer Zeiger in der Bodenvegetation dieser Waldstandorte ist die unverwechselbare und saftiggrüne Hirschzunge, eine eher seltene Farnart, die geschützt ist (rote Liste). An den Stellen mit mehr Feinerde ist das ausdauerndes Silberblatt– auch Mondviole genannt - ein typischer Begleiter dieser Waldgesellschaften. Diese Pflanze blüht im Mai bis Juli und die wohlriechenden Blüten ziehen verschiedene Insektenarten an, wie z.B. Bienen, Hummeln oder Wespen, die als Bestäuber wirken. Weil die Blumen besonders nachts riechen, locken sie auch Nachtfalter an. Aus dieser Besonderheit zeigt sich, woher der Name „Mondviole“ stammt. Die Früchte (Schötchen) werfen zur Reife im August-September die Fruchtklappen ab. Es bleiben nur der Rahmen und die Scheidewand erhalten, die im Herbst, bei Sonnenlicht silberig glänzen (darum auch der Name Silberblatt“).
Allgemeine typische Naturwerte der Vegetation dieser Waldgesellschaften sind die seltene schattentolerante Pflanzen und Frühblüher. Ausserdem besteht eine Vielfalt an Pflanzen, die nur über ein unvollkommenes Wurzel- und Leitungssystem verfügen: wie zum Beispiel Algen, Pilze, Flechten und Moose. Sie wachsen auf Fels- und Schuttmaterial, das keinen Wurzelraum bietet und daher von höheren Pflanzen nicht besiedelt werden kann. Am üppigsten entwickelt sind sie an luftfeuchten Wuchsorten. Hier wachsen sie nicht nur auf Fels, sondern auch auf lebenden Bäumen. Die baumbewohnenden Flechten, Moose und Farne sind insbesondere Uraltbäume, Altholz, stehendes und liegendes Totholz angewiesen.
Defizite, Aufwertungsmöglichkeiten
Die Baumartenmischung in diesen Waldgesellschaften präsentiert sich manchmal naturfern, das heisst der Nadelholzanteil ist leider dominant. Ein Ziel des Forstdienstes ist es, sie durch gezielte Pflegeingriffe (Durchforstungen) schrittweise in naturnahe Bestände zu überführen.
Da die Flächen oft nur in Kleinbeständen vorkommen, besteht für den Bergahorn, die Bergulme und die Esche oft eine Konkurrenzsituation mit der Buche, Fichte und Tanne der direkt angrenzenden Bestände.
Der rasante Ausfall der Esche (Eschentriebsterben) und die Schwächung der Bergulme (Ulmenwelke) führen zu einer starken Umwandlung der Bestandesoberschicht. Es ist ein Ziel des Forstdienstes, die gesunden Exemplare dieser Baumarten zu erhalten, damit die genetisch resistenten Individuen gefördert werden.
Das schattige, feuchte Waldinnenklima ist für diese Standorte besonders typisch. Die oben erwähnten Standortsmerkmale führen zu einer reduzierten Konkurrenz in der Krautschicht und fördern spezialisierte, konkurrenzschwache Arten, darunter zahlreiche Farne, Bärlappe, Moose und Flechten. Flächige Verjüngungsschläge die zu starkem Lichteinfall führen, schwächen oder verdrängen diese Spezialisten.
Der Standort umfasst oft schattige Kalkfels- und (wenig bewegte) Blockschuttfluren, die reich an Farnen, Moosen und Flechten sind. Die Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse sind relativ konstant. Ihr Auftreten kann auch nur sehr kleinflächig und isoliert sein. Bei Holzschlägen ist darauf zu achten, dass diese Lebensraumtypen nicht mit Restholz und Schlagabraum überdeckt werden – ganz speziell in Gebieten mit seltenem und kleinflächigem Auftreten solcher Standorte.
Altholz und Totholz haben eine wichtige Bedeutung und sollen gefördert werden. Häufiger als auf vielen anderen Standorten treten Uraltbäume auf mit einer grossen Dichte an Baummikrohabitaten auf. Bei Erhebungen auf Bergahorn Weideflächen im Alpenraum konnte gezeigt werden, dass die Baumkronen für Flechten und Moose einen sehr wichtigen Lebensraum darstellen. Vor allem bei den Flechten wurden viele Arten nur in den Baumkronen gefunden, darunter viele gefährdete Arten, wie zum Beispiel die Lungenflechte. Diese Flechtenart reagiert sehr empfindlich auf Luftschadstoffe. Ihr Vorkommen liegt fast ausschliesslich oberhalb von 900 Höhenmetern. Die Lungenflechte kann als ein Indikator für intakte Ökosysteme angesehen werden. Sie ist stark gefährdet. Alle ihre Vorkommen verdienen Schutz.
Oft stehen die Standorte in räumlichem Kontakt zu Bergahornweiden, eine traditionelle Kulturlandschaft der Alpen. Sie sind der Lebensraum einer Vielzahl von Organismen, darunter zahlreiche seltene und gefährdete Arten. Sie haben bislang wenig Aufmerksamkeit seitens des Naturschutzes erhalten. Heute sind Bergahornweiden ein zunehmend seltener und bedrohter Landschaftstyp. Junge Bäume sieht man kaum auf den Weiden; alte Bäume werden oft nicht mehr ersetzt, wenn sie absterben.
Die langfristige Sicherung des Bergahorns und dieser Waldgesellschaften ist ein besonders wichtiges Ziel des Forstdienstes. Die Pflege erfordert viel waldbauliches Knowhow. Wegen der Risiken des Klimawandels (Trockenheit) und des gebietsweisen starken Wilddrucks (der Ahorn wird gerne vom Wild verbissen) wird die Erreichung des Ziels eine grosse Herausforderung sein.
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Maurizio Veneziani
Dipl. Forstingenieur UniFI