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02.04.2020 – Mikroplastik ist heute in allen Schweizer Flüssen und Seen zu finden und deren Eintragspfade sind vielfältig. Studien deuten jedoch darauf hin, dass aktuell keine akute Gefährdung für die Wasserorganismen sowie für die Trinkwasserqualität ausgeht. Mikroplastik ist jedoch unerwünscht in unseren Gewässern.

Bildquelle: Fraunhofer UMSICHT
Bildquelle: Fraunhofer UMSICHT

Wer online nach Mikroplastik recherchiert, findet überwiegend Hinweise über die Schädlichkeit für Gesundheit und Umwelt, Ratgeber in welchen Produkten Mikroplastik zu finden ist und was gegen die "unsichtbare Gefahr" getan werden kann. Die Thematik hat im Kontext von zugemüllten Stränden und Abfallteppichen auf den Ozeanen eine hohe Aktualität. Auch hier in der Schweiz erlangte das Thema in den letzten Jahren ein immer grösseres Interesse in der breiten Bevölkerung. 

Mikroplastik - kaum sichtbar von blossem Auge

Plastik, die umgangssprachliche Bezeichnung für unterschiedliche Kunststoffe, ist omnipräsent und nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Sportbekleidung, Verpackungen von Lebensmitteln, Tragetaschen, Isolationsmaterial, Rohre, Folien; in all diesen Produkten und vielen mehr finden Kunststoffe aufgrund ihrer vielfältigen Eigenschaften Anwendung. Mit einer Abbaudauer von 10 bis 50 Jahren ist die Langlebigkeit eine wichtige Eigenschaft der Kunststoffe.

Allgemein werden Kunststoffteile, die kleiner als 5 mm sind als Mikroplastik bezeichnet. Extra, industriell produziertes Mikroplastik nennt sich Primäres Mikroplastik. Es wird beispielsweise in Zahnpasta oder Hautpeelings für eine verbesserte Reinigungswirkung oder als Füllstoff beigefügt, findet Einsatz bei der Reinigung von Maschinenteilen sowie der Entfernung von Farbe von metallischen Oberflächen. Auch dient es als Ausgangsmaterial für die Herstellung anderer Kunststoffprodukte.

Der Begriff Mikroplastik ist nicht mit dem Begriff Mikroverunreinigungen zu verwechseln. Als Mikroverunreinigungen werden nie Teilchen bezeichnet, sondern organische Stoffe (beispielsweise Medikamente, Pestizide und weitere Chemikalien aus Industrie und Haushalten), welche oft in Gewässern nachweisbar sind und ein deutlich höheres Risiko für die Umwelt darstellen als Mikroplastik.

Die Verwitterung und Zersetzung von grösseren Kunststoffteilen (Makroplastik) in der Umwelt führt zur Entstehung von Sekundärem Mikroplastik. Besonders der Einfluss der Sonnenstrahlung und die mechanische Belastung sorgen für eine Fragmentierung der Plastikteile in der Umwelt.

In der Schweiz ist in allen untersuchten Oberflächengewässern Mikroplastik zu finden. Auf der Wasseroberfläche der untersuchten Schweizer Seen wurden durchschnittlich 0.091 Mikroplastikteile (MPT) pro Quadratmeter gefunden. Im Bodensee lag der Fund zwischen 0.061 und 2.6 MPT pro Quadratmeter. Die gefundenen Resultate variieren stark zwischen den Seen, aber auch innerhalb der Seen. Daher handelt es sich bei diesen Zahlen um Richtwerte und sie dienen nicht als absolutes Mass der Gewässerverschmutzung mit Mikroplastik.

Mögliche Risiken für die Umwelt

Eine potenzielle Gefahr sehen Forscher darin, dass die Plastikpartikel Schadstoffe wie Metalle oder persistente organische Stoffe (z.B. Weichmacher, hormonaktive Substanzen, polychlorierte Biphenyle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, etc.) absorbieren und zu einem späteren Zeitpunkt wieder freisetzen können. Insbesondere für Wasserorganismen stellt dies ein Risiko dar, denn aufgrund der kleinen Grösse kann Mikroplastik aufgenommen werden und dadurch können sich Schadstoffe in der Nahrungskette anreichen und negative Konsequenzen für Wasserorganismen haben.

In einer 2018 publizierten Studie der Empa wurde, um die Gefahren von Mikroplastik für die Umwelt beurteilen zu können, eine Risikoabschätzung für Fische und andere Süsswasserorganismen durchgeführt. Dabei verglichen sie die real gemessene Mikroplastikbelastung der Gewässer mit Schwellenwerten, die toxische Effekte auf verschiedenen Organsimen auslösen. Fazit der Studie ist: Aktuell besteht für Europa kein Umweltrisiko durch Mikroplastik.

Auch die Gefährdung des Trinkwassers wird momentan als gering eingestuft. Das Amt für Abfall, Wasser und Energie (AWEL) von Kanton Zürich konnte kein Mikroplastik im Grund- und Trinkwasser im Rahmen von Untersuchungen im Jahr 2015 nachweisen. Die Mikroplastikpartikel werden natürlicherweise durch die Bodenpassage filtriert oder bei der Trinkwasseraufbereitung durch den Einsatz von einer bis mehreren Filtrationsstufen zurückgehalten.

Viele Wege führen ins Wasser

Eine Eintragsquelle von sekundärem Mikroplastik ist das unsachgemässe Entsorgen von Abfall (Littering). Gemäss dem Swiss Litter Report 2018 des WWFs Schweiz beträgt die durchschnittliche Abfalldichte an Schweizer Gewässern 67 Abfallgegenstände pro 100 Quadratkilometer und ist an Seen deutlich höher als an Flüssen. Ebenso ist die Abfalldichte in städtischen Gebieten höher im Vergleich zur Agglomeration und ländlichen Gebieten. Dabei beträgt der Anteil an Plastikabfällen rund 65 Prozent. Diese Zahlen beziehen sich allerdings auf ausgewählte Flächen.

Eine weitere Eintragsquelle von Mikroplastik ist das Abwasser aus Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten, das via Abwasserreinigungsanlagen in die Gewässer gelangt. Ein grosser Teil des Mikroplastiks wird bereits mechanisch abgetrennt und durch den Klärschlamm entsorgt. Mit allen Reinigungsstufen der Abwassereinigung kann durchschnittlich 93 Prozent des Mikroplastiks aus dem Abwasser eliminiert werden, dies zeigen Resultate aus einer Untersuchung aus dem Kanton Zürich vom AWEL.

Die Empa hat den Weg von Kunststoffen in die Schweizer Umwelt untersucht, dabei wurde auch zwischen Makro- und Mikroplastik unterschieden. Insgesamt gelangen ungefähr 5'120 Tonnen Kunststoffe pro Jahr in die Umwelt. Der Anteil der in die Gewässer gelangt beträgt rund 110 Tonnen Makroplastik und 15 Tonnen Mikroplastik. Damit ist die Menge an Makroplastik deutlich höher als die an Mikroplastik. Die Anzahl der Partikel bei Mikroplastik ist hingegen höher. Zudem gelangt mit 4'400 Tonnen Makroplastik und 600 Tonnen Mikroplastik deutlich grösser Mengen in die Böden als in die Gewässer.

Studien des Fraunhofer-Instituts und der Weltnaturschutzunion (IUCN) aus den Jahren 2018 und 2017 ermittelten den Reifenabrieb als eine der Haupteintragsquellen von Mikroplastik in die Umwelt. Eine Abschätzung des Eintrages von Reifenabrieb für die Schweiz wurde ebenfalls von der Empa modelliert. Die Resultate zeigen eine Freisetzung von ca. 11'000 Tonnen Reifenabrieb pro Jahr, davon werden jährlich ungefähr 8'200 Tonnen in die Umwelt eingetragen und 1'800 Tonnen (22%) gelangen in die Gewässer.

Gewässerschutz und Mikroplastik

Heute ist der Wissenstand teilweise noch ungenügend und es besteht keine standardisierte Methode zur Erhebung der Mikroplastikbelastung und deren Risikoabschätzung. Sowohl die Probenahme als auch die Untersuchungsmethoden (Bestimmung und Identifikation der einzelnen Teilchen) sind sehr aufwändig und kostenintensiv. Die Quellen für Mikroplastik sind vielfältig und tangieren unterschiedliche Bereiche, bei denen Massnahmen an der Quelle notwendig sind.

Für die Schweizer Gewässer geht momentan basierend auf den vorliegenden Untersuchungen keine akute Gefährdung von Mikroplastik aus. Dennoch betrifft Mikroplastik das geltenden Verunreinigungsverbot der Gewässer und ist unerwünscht. Deshalb wird die Entwicklung der Situation von den Behörden weiterhin beobachtet, denn die Thematik könnte in Zukunft an Relevanz gewinnen.

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