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Prüfungszulassung

Wer sich zur Prüfung anmeldet, muss nach dem Universitätsstudium während eines Jahres eine praktische Tätigkeit im juristischen Bereich ausgeübt haben, wovon mindestens neun Monate im Kanton St.Gallen, wovon wiederum mindestens sechs Monate bei einer st.gallischen Anwältin/einem st.gallischen Anwalt oder einem st.gallischen Gericht. Als Gericht gelten die in Art. 10 AnwG genannten Monopolbehörden. Juristische Tätigkeiten bei der Staatsanwaltschaft gelten somit als st.gallische Gerichtspraktika. Ebenso als st.gallische Gerichtspraktika gelten juristische Tätigkeiten beim Bundesverwaltungsgericht ab 1. Juli 2012.

Bei Praktika an Gerichten, bei Anwältinnen und Anwälten, bei der Staatsanwaltschaft sowie bei Rechtsdiensten von Behörden des Kantons und der Gemeinden wird vermutet, dass die Tätigkeit juristischer Natur ist. Die Tätigkeit bei Rechtsdiensten von privaten Unternehmen gilt als juristische Tätigkeit, wenn Gewähr dafür besteht, dass während der Praktikumsdauer unter Anleitung einer ausgebildeten Juristin oder eines ausgebildeten Juristen überwiegend Rechtsprobleme bearbeitet worden sind. In der Regel werden ausdrückliche Bestätigungen verlangt.

Die Anwaltskammer kann praktische Tätigkeiten in einem anderen Kanton im Umfange von drei Monaten anerkennen. Mehr ist regelmässig nicht nötig, da damit - zusammen mit den ohnehin notwendigen neun Monaten Praktikum im Kanton St.Gallen - das Erfordernis des einjährigen Praktikums erfüllt ist. Praktika beim Bund werden wie ausserkantonale Praktika behandelt. Die Praktika werden nicht zum voraus bewilligt und es werden keine diesbezüglichen Bestätigungen ausgestellt. Vielmehr wird im Zeitpunkt der Zulassung zur Prüfung darüber entschieden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Teilnahme erfüllt sind.

Für Bewerberinnen und Bewerber, die nicht im Besitz eines juristischen Abschlusses einer schweizerischen, sondern einer ausländischen Universität sind, wird eine juristische Tätigkeit von wenigstens drei Jahren in der Schweiz, wovon mindestens einem Jahr im Kanton St.Gallen, verlangt. Zudem gelten die allgemeinen Voraussetzungen, insbesondere das Erfordernis einer mindestens sechs Monate dauernden Tätigkeit bei einer st.gallischen Anwältin/einem st.gallischen Anwalt oder einem st.gallischen Gericht. In der Regel wird eine Bestätigung der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS; www.swissuniversities.ch) über die Gleichwertigkeit des Universitätsabschlusses verlangt.

Stichtag für die Anrechnung einer praktischen juristischen Tätigkeit ist der Tag der Diplomausstellung. Eine frühere Anrechnung ist möglich, sofern eine schriftliche Bestätigung der Universität vorliegt, dass sämtliche Prüfungen und Arbeiten erfolgreich abgeschlossen wurden. Eine praktische juristische Tätigkeit nach dem juristischen Bachelorabschluss und vor dem juristischen Masterabschluss wird zu 50% an die verlangte Praktikumsdauer angerechnet. Wird nur ein Bachelorpraktikum absolviert, so ist dementsprechend eine mindestens zweijährige praktische juristische Tätigkeit notwendig (zur Anrechenbarkeit eines juristischen Praktikums vgl. Art. 4 und 4bis Prüfungs- und Bewilligungsreglement für Rechtsanwälte und Rechtsagenten sGS 963.73).


Praktikantenbewilligung

Wer bei einer/einem in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Anwältin/Anwalt mit Sitz in St.Gallen oder einem Nachbarkanton ein Praktikum absolviert, arbeitet unter deren/dessen Leitung und Verantwortung. Für die Vertretung von Parteien vor Gericht oder den Strafuntersuchungsbehörden braucht die Praktikantin oder der Praktikant eine Bewilligung. Sie wird erst erteilt, wenn die Praktikantin oder der Praktikant bereits ein halbes Jahr an einem Gericht oder bei einer Anwältin oder einem Anwalt im Kanton St.Gallen oder einem Nachbarkanton juristisch tätig war. Es werden nur praktische juristische Tätigkeiten angerechnet, welche nach dem Abschluss des Master-Studiums bzw. nach Erlangen des Lizenziats absolviert wurden. Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen - namentlich Praktikantinnen oder Praktikanten aus Kantonen, die nicht an den Kanton St.Gallen angrenzen oder Praktikantinnen oder Praktikanten mit einem Bachelorabschluss - wird die Bewilligung verweigert. In solchen Fällen gibt es auch keine Bewilligung für die Vertretung im Einzelfall. Die Bewilligung kann auf längstens drei Jahre erteilt werden. Die Praktikantin oder der Praktikant (nicht das Anwaltsbüro) reicht der Anwaltskammer ein Gesuch ein. Es muss folgende Beilagen enthalten:
 

  • einen Lebenslauf;
  • Ausweise über die bisherige praktische Tätigkeit;
  • Studienausweise;
  • die Verantwortlichkeitserklärung der Anwältin oder des Anwalts;
  • einen Strafregisterauszug (diese Bescheinigung darf nicht älter als 3 Monate sein);
  • eine Bescheinigung des Betreibungsamtes, dass keine Verlustscheine vorliegen (diese Bescheinigung darf nicht älter als 3 Monate sein);
  • eine Auskunft des Einwohneramtes oder der KESB (Kindes- & Erwachsenenschutzbehörde) des Wohnsitzes zu allfälligen Einschränkungen der Handlungsfähigkeit durch eine Massnahme des Erwachsenenschutzrechts (diese Bescheinigung darf nicht älter als 3 Monate sein);
  • eine Wohnsitzbescheinigung (darf nicht älter als 1 Monat sein);
  • Wurde der Wohnsitz innerhalb des letzten Jahres (vom Anmeldedatum zurückgerechnet) verlegt, so sind zusätzlich entsprechende Bescheinigungen des früheren Wohnsitzes (Wohnsitzbescheinigung, Auskunft Einwohneramt/KESB, Auszug aus dem Betreibungsregister) einzureichen.

Die Anwaltskammer des Kantons St.Gallen, die Anwaltsaufsichtskommission des Kantons Appenzell Ausserrhoden und die Anwaltskammer des Kantons Appenzell Innerrhoden haben eine Vereinbarung getroffen, welche die gegenseitige Anerkennung der kantonalen Rechtspraktikantenbewilligung regelt. Infolge dieser am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Vereinbarung besteht nicht mehr die Notwendigkeit, für jeden Kanton eine Rechtspraktikantenbewilligung zu beantragen, da die in einem Kanton erteilte Rechtspraktikantenbewilligung ohne zusätzliche Bewilligung auch in den anderen Kantonen anerkannt wird. Für Einzelheiten wird auf die Vereinbarung verwiesen. Mit Wirkung ab 1. April 2019 ist auch die Anwaltskommission des Kantons Thurgau der Vereinbarung beigetreten.

Um den Kandidatinnen und Kandidaten, die sich auf die Anwaltsprüfung vorbereiten, eine praktische juristische Tätigkeit zu ermöglichen, bieten die st.gallischen Gerichte, die Staatsverwaltung und der St.Galler Anwaltsverband spezielle Praktikumsstellen an.