Diesen Sommer hätte das Qualifikationsverfahren am Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs (bzb) im Fach Allgemeinbildung nicht mehr auf Papier, sondern elektronisch absolviert werden sollen – als Abschluss des Projektes «Lehrmittel im Tablet» (Lit). Gestartet wurde vor rund fünf Jahren, als erstmals elektronische Lehrmittel in den Unterricht integriert worden sind und ausschliesslich mit elektronischen Devices gearbeitet wurde.
Schulbeginn morgens um 8 Uhr im bzb. Die Lernenden treffen im Schulzimmer ein, packen ihre Taschen aus. Wo sich früher Bücher und Notizblöcke und Kugelschreiber auf den Pulten ausgebreitet haben, befindet sich jetzt – ein Tablet. Was vor einigen Jahren noch nicht vorstellbar gewesen wäre, ist ganz selbstverständlich für die jungen Lernenden. Wie ist es dazu gekommen?
Unterricht und Prüfungen ins Digitale transformieren
Anzeichen in Wirtschaft und Gesellschaft hätten schon seit Längerem darauf hingedeutet, dass man als Schule auf den Zug der Entwicklungen in Richtung e-Lehrmittel aufspringen und eine Art Revolution des Unterrichts planen sollte. Denn: «Es gibt je länger je mehr elektronische Lehrmittel», erklärt Jörg Velinsky, Berufsfachschullehrer am bzb und Projektleiter von «Lehrmittel im Tablet». «Am bzb hatten wir deshalb schon früh die Vision, sowohl das Qualifikationsverfahren als auch den Allgemeinbildenden Unterricht digital zu transformieren», so Velinsky zu den Beweggründen, warum das Projekt 2015 ins Rollen gebracht worden sei.
Peter Keller, Leiter Grundbildung am bzb, hat vor über fünf Jahren zwei Lehrpersonen des bzb in einen Kurs geschickt, der ihnen aufzeigte, wie Unterricht mit dem Tablet gestaltet werden könnte. Zusammen mit Velinsky hat er das Konzept erstellt. «Mit den e-Lehrmitteln eröffnen sich für die Lernenden im Unterricht neue Formen des individuellen Lernens und der Erschliessung von Wissensquellen», so Velinsky. «Es entstehen neue Formen der Kooperation und Kollaboration, die in virtuellen Lernumgebungen stattfinden können.» Die Lernenden könnten sich dabei Fähigkeiten im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien aneignen, die auch für die Ausbildungsbetriebe nützlich seien. «Es ist aber auch für jeden Einzelnen von Vorteil, weil eine kompetente Anwendung der heutigen Kommunikationsformen im beruflichen und persönlichen Alltag eine wichtige Fähigkeit darstellt», so Velinsky weiter.
Schrittweise eingeführt
«Aus pädagogischer Sicht ist der Einsatz der Tabletgeräte grundsätzlich nicht nur in Prüfungssituationen einzusetzen, sondern auf den ganzen Unterricht auszuweiten», ist Velinsky denn auch seit Anbeginn überzeugt. Die Einführung in den Unterricht mit Tablet erfolgte im Projekt dann schrittweise über die Austausch- und Lernplattformen hin bis zum Einsatz des Office 365 von Microsoft – das den Lernenden während der Schulzeit kostenlos zur Verfügung steht – sowie verschiedenen Lernapplikationen. Velinsky erinnert sich, dass vor fünf Jahren die Lernplattformen (beispielsweise OneNote), wie sie heute existieren, erst sehr rudimentär ausgebaut waren. Die Applikation Teams – die vor allem während der Coronakrise einen Aufschwung erlebt hat – existierte noch nicht. Auch bezüglich der Lehrmittel hätten unterschiedliche Voraussetzungen geherrscht. «Für den allgemeinbildenden Unterricht waren die Lehrmittel bereits auf einer selbstständigen App des Verlags verfügbar, in den berufskundlichen Fächern gab es die Lehrmittel nur in PDF-Form.» Grosse Unterschiede also, die es anfänglich zu meistern galt.
Vier Klassen starteten im 2015 mit dem Projekt
Gestartet wurde am bzb das Projekt «Lehrmittel im Tablet» erstmal mit fünf Klassen im Jahr 2015. Im Jahr 2016 waren es weitere vier Klassen, die starteten. «Es nahmen zirka 160 Lernende – von insgesamt 2500 Schülern am bzb – am Projekt teil», so Velinsky. Es war geplant, dass alle Pilotklassen auch die elektronische Lehrabschlussprüfung machen sollten. «Denn wenn jemand vier Jahre Unterricht gehabt hat mit dem Tablet, soll auch das Qualifikationsverfahren so laufen», erklärt Velinsky. Jedes Jahr sind mit einer Umfrage bei den Lehrpersonen wie auch bei den Lernenden der Ausbildungsstand sowie die Fortschritte im Bereich Informations- und erhoben worden. Dadurch konnte man reagieren und bei Bedarf Anpassungen vornehmen.
Wenn Projektleiter Velinsky auf die vergangenen fünf Jahre zurückschaut, so hebt er drei wichtige Erkenntnisse hervor: «Erstens müssen alle Lehrpersonen mit pädagogischen Kompetenzen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie befähigt werden, um die anspruchsvollen didaktischen Prozesse des Unterrichts digital führen zu können.» Dann müsse nicht nur die Schulinfrastruktur auf dem neusten technischen Stand sein, sondern vor allem müssten die Lernenden zur Einsicht gelangen, dass ihre eigene Ausrüstung (beispielsweise das Tablet) auf einem soliden Niveau bliebe, damit der digitale Schulalltag souverän bewältigt werden könne. «Drittens muss das didaktische Konzept für die digitale Transformation in der Allgemeinbildung und im Fachunterricht so angelegt sein, dass nicht nur die Lernziele erreicht werden, sondern beim eigenständigen Lernen auch Spass und Neugierde entsteht.»
Berufsschule arbeitet mit Berufsverbänden zusammen
Die Zusammenarbeit des bzb mit den Berufsverbänden sei in erster Linie über die Lehrbetriebe gelaufen, die regelmässig in die Entwicklung des Projekts einbezogen worden seien. Die Verbände hätten die Entwicklung genau beobachtet und entschieden, dass der Unterricht elektronisch gestaltet werden soll. Es standen Lehrmittel für die Berufe Zimmermann/Zimmerin, Automobilfachmann/-frau, Mechatroniker/in sowie Metallbauer/in zur Verfügung. Neu dazugekommen seien die Berufe Elektroinstallateur/in, Montage-Elektriker/in wie auch Maurer/-in und Landwirt/-in, so Velinsky. Die KV-Lernenden seien noch nicht dabei, da wollte das bzb die Lehrplanreform abwarten.
Qualifikationsverfahren fällt Corona zum Opfer
Bei der erstmaligen Durchführung der teilweise digitalisierten Lehrabschlussprüfung im 2019 ist alles erfolgreich abgelaufen. Damals haben erstmals fünf Klassen bzw. 75 Schülerinnen und Schüler auch die Lehrabschlussprüfung auf elektronischem Weg absolviert, 180 auf klassischem Weg. Und das für diesen Sommer geplante komplett digitalisierte Qualifikationsverfahren im Fach Allgemeinbildung – das ist vorerst Corona zum Opfer gefallen.
Wenn auch das Coronavirus der regulären Durchführung des Qualifikationsverfahrens im Weg gestanden sei, so habe das bzb doch etwas Positives aus dieser Zeit mitnehmen können. Denn das überraschend angekündigte Verbot des Präsenzunterrichts in der Schule stellte alle vor grosse Herausforderungen. Doch die Bildungsprofis am bzb haben sich nicht aus der Fassung bringen lassen und konnten die im «LiT»-Projekt gesammelten Erfahrungen direkt umsetzen. «Die am Projekt beteiligten Klassen sind mit eigenen Arbeitsgeräten voll ausgerüstet und haben bereits Erfahrung mit Office 365», so Velinsky. Dadurch konnte der Unterricht auf Learning Management Systems wie Teams kombiniert mit OneNote und OneDrive aufgebaut und Distance Schooling betrieben werden. «Neu war für uns das Durchführen von Videokonferenzen, also sozusagen der Unterricht im virtuellen Klassenzimmer», erinnert er sich. Er zeigt sich glücklich darüber, dass das bzb schon seit geraumer Zeit die Zeichen der digitalen Transformation erkannt habe und auch die Lehrpersonen intensiv auf das e-Learning vorbereitet wurden. «Mich freut es besonders, dass die Erfahrungen aus dem Projekt wesentlich dazu beigetragen haben, das Lernen im bzb – wenn auch auf Distanz – weiterhin zu ermöglichen.»
«Wir stehen erst am Beginn einer langen Entwicklung»
Im diesen Sommer abgeschlossenen Pionierprojekt sei es darum gegangen, die nötige Erfahrung in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Methodik und Didaktik sowie Infrastruktur zu sammeln, um den Unterricht mit Tablets so zu gestalten, dass die Lernenden das Qualifikationsverfahren am Ende erfolgreich absolvieren. «Und das ist uns gelungen», so die Bilanz des Fachmanns, wenn auch der «abschliessende Ernstfall» mit der elektronischen Durchführung des Qualifikationsverfahrens noch nachgeholt werden muss. «Ich bin überzeugt, dass wir erst am Anfang einer langen Entwicklung stehen. Deshalb machen wir uns mit der Roadmap 2022 bereits Gedanken, das Lehren und Lernen am bzb neu und noch digitaler zu gestalten.»
Zurück im Schulzimmer am bzb, wo die Lektion endet: Die Lernenden haben gearbeitet, haben online Aufgaben gelöst und Fragen beantwortet. Jetzt speichert jeder sein Dokument im OneDrive-Ordner, dann werden die Tablets eingepackt und es geht in die Pause. Wenn auch die digitale Revolution Einzug gehalten hat – dass die Pausen zum angeregten Plaudern genutzt werden, bleibt sich gleich.
Das bzb betreibt Pionierarbeit
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