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GBS kooperiert mit Highschool in Südafrika

Das Gewerbliche Berufs- und Weiterbildungszentrum St. Gallen GBS unterstützt eine neugegründete Berufsfachschule in Südafrika mit persönlichem Einsatz und ausgedienten Computern – will von den neuen Partnern aber auch selbst lernen. 

Es ist nicht irgendeine Schule, mit der das Gewerbliche Berufs- und Weiterbildungszentrum St. Gallen GBS einen intensiven Austausch gestartet hat. Die Jakes Gerwel Technical School in Bonnievale, einem Städtchen in einem Weinbaugebiet 180 Kilometer östlich von Kapstadt, gilt in ganz Südafrika aus mehreren Gründen als ein «Leuchtturm-Projekt».

 

Für die vorwiegend dunkelhäutigen Jugendlichen war Bonnievale bisher gleichbedeutend mit Perspektivenlosigkeit. Bildung ist das Schlüsselelement, damit sie nun Chancen auf ein gutes Leben in ihrer eigenen Region sehen. «Ein einzigartiges Projekt wie diese Schule kann den Leuten Hoffnung geben und vielleicht einen Clash verhindern», sagt GBS-Rektor Daniel Kehl mit Blick auf die angespannte soziale Situation im Lande: «Südafrika ist an einem Scheideweg.» 

Private Initiative 

Bemerkenswert ist schon die Entstehungsgeschichte der Schule. In der Ortschaft mit etwas über 9000 Einwohnern gibt es bald 1500 Jugendliche im Highschool-Alter (zwischen 13 und 18 Jahren), aber nur 350 Plätze in der örtlichen Highschool. Farmer, Unternehmer und Kirchenvertreter wurden deshalb bei der Regierung vorstellig, um den Bau einer neuen öffentlichen Schule anzustossen. «Es sollte eine Schule sein, die der Gemeinde gehört und bei der alle involviert sind», erklärte Philip Jonker, einer der Initianten und Besitzer eines der grossen Weingüter in der Gegend, in einem Videobeitrag über die Schule.   

Die Regierung verwies auf ihre knappen Budgets, schlug den Initianten aber einen Deal vor. Sie erklärte sich bereit, 40 Prozent der Initialkosten zu tragen und künftig den laufenden Betrieb zu finanzieren, wenn die Initianten ihrerseits das Land beisteuern und 60 Prozent des Acht-Millionen-Franken-Projekts privat finanziert werden. Bonnievale solle zeigen, dass die ganze Kommune hinter dem Projekt stehe. 

Das tat sie: Philip Jonker spendete mit zwölf Hektaren Land fast zehn Prozent seiner Shiraz-Anbaufläche für die Schule, weitere Unternehmer engagierten sich bei der Finanzierung, die Bewohner von Bonnievale halfen bei den Bauarbeiten. Entstanden ist ein klug durchdachter Gebäudekomplex für die südafrikanische Version einer Berufsfachschule mit Theorieräumen wie auch Räumen für praktisches Arbeiten. 2017 begann der Bau der Jakes Gerwel Tegnies (JGT), wie die Schule in Afrikaans heisst, benannt nach dem hoch angesehenen südafrikanischen Akademiker und Anti-Apartheid-Aktivist Gert Johannes Gerwel, der u. a. Berater von Nelson Mandela während dessen Präsidentschaft war. Bereits 2018 wurde die Schule fertig gestellt und in Betrieb genommen.

 

Dann kam das GBS ins Spiel.

 

Zweites Leben für Computer

 

Die Entwicklung in der digitalen Welt verläuft rasant. Damit die Lernenden mit der in ihrem Beruf aktuellen Soft- und Hardware ausgebildet werden können, tauscht das Gewerbliche Berufs- und Weiterbildungszentrum St. Gallen alle Computer nach fünf Jahren aus. Diese ausgemusterten, aber meistens noch voll funktionstüchtigen Geräte erhalten nun ein zweites Leben: Seit einigen Jahren bringen GBS-Mitarbeiter alte Computer aus St. Gallen nach Südafrika, wo sie sinnvoll eingesetzt werden können.

 

Die Idee entstand, als Daniel Brülisauer, IT-Spezialist am GBS, 2014 privat mit seiner Familie durch Südafrika reiste. «Der Ressourcenmangel, vor allem an Schulen, hat uns stark bewegt», schrieb er später in einem Bericht. Im Wissen, dass 2015 eine Reihe von iMacs am GBS ausgemustert werden würden, suchte er mit lokalen Organisationen nach Möglichkeiten, diese Geräte sinnvoll in Südafrika einzusetzen. Die Schulleitung des GBS gab ihr Einverständnis, dass die iMacs so weiter verwendet werden.

 

Im Januar 2016 konnte Daniel Brülisauer zusammen mit seinem Vater iMacs für fünf Projekte in Südafrika liefern, unter anderem wurden 20 Geräte in einer Preschool in einem Township in Kapstadt installiert. Andere iMacs stehen in einem Gemeinschaftsgebäude in einem Township, was den Bewohnern erstmals ermöglicht, digitale Bewerbungen zu machen, wodurch ihre Chancen auf einen Job sprunghaft ansteigen.

 

Bei einer späteren Reise zeigte sich, dass nach über zwei Jahren alle iMacs noch einwandfrei in Betrieb waren und ihrem beabsichtigten Zweck dienten. «Wir haben überall lokale Gewährsleute», sagt Daniel Brülisauer. Diese Leute haben auch das Know-how, um die Geräte zu warten. «Das ist das Spezielle an Südafrika», erklärt Brülisauer, «das ist kein Drittweltland, sie haben hier all das notwendige Wissen, es ist einfach sehr ungleich verteilt.» 

Initiative ausgebaut 

Daniel Brülisauer hatte eine Dokumentation dieser Projekte gemacht und davon auch vor dem Lehrerkollegium berichtet. «Das war berührend», erinnert sich Daniel Kehl, damals Prorektor und inzwischen Rektor des GBS. Und so reifte der Gedanke, aus der privaten Initiative ein nachhaltiges Schulprojekt zu machen, das im Bildungskontext eingebettet sein sollte. 

Ein wichtiger Kontakt von Daniel Brülisauer in Südafrika ist Marco Spalke, ein Schreinermeister aus Deutschland. Er war bei den vorangegangenen Projekten ein Bindeglied, und auch jetzt konnte er den entscheidenden Tipp geben: In Bonnievale, einer Kleinstadt mit 9000 Einwohnern in einem Weinbaugebiet, werde eine neue Schule, ein technisches College, gebaut. Schreinermeister Spalke selbst hat mit seiner Organisation Hope for South Africa (HOSA) gebrauchte Holzbearbeitungsmaschinen aus Deutschland an die neue Schule vermittelt.

 

Die Verantwortlichen vom GBS nahmen mit dem jungen College Kontakt auf, um eine mögliche Weiterverwendung von IT-Material aus St. Gallen zu klären. Ende Mai 2019 reiste eine GBS-Delegation nach Südafrika: Rektor Daniel Kehl, der Abteilungsleiter Technische Berufe, Jürg Pfeiffer, und die drei IT-Spezialisten Daniel Brülisauer, Kevin Haag und Aaron Richner. Sie brachten eine umfangreiche Ladung von 150 ausrangierten Geräten mit, in deren Genuss wiederum mehrere Projekte kamen. Die verschiedenen Township-Projekte werden weiter gepflegt und ausgebaut.

 

Der grösste Abnehmer mit rund 50 Computern war die Highschool in Bonnievale, wo das GBS-Team ein Schulzimmer mit 32 PC-Arbeitsstationen samt zentralem Server und Drucker in einem Netzwerk einrichtete. Diese Arbeitsplätze dienen nun der Ausbildung in Informatik und in CAD. Während für die Schülerinnen und Schüler die Computerwelt oft noch Neuland ist, wissen die südafrikanischen Lehrkräfte durchaus, was sie machen. Eine IT-Fachfrau vor Ort ist nun für die Serververwaltung und die Gerätepflege zuständig. Mit der IT aus St. Gallen konnte auch die Schulbibliothek mit Computern ausgerüstet werden, zudem gibt es eine Reihe von Notebooks für Lehrerkräfte und Lernende.

 

Vertiefte Kooperation

Das GBS-Quintett kam mit vielen neuen Eindrücken und Ideen zurück in die Schweiz. An der Jakes Gerwel Tegnies erhalten die Schülerinnen und Schüler das Rüstzeug für Berufe im Baubereich, für technische Berufe und für Berufe in der Gastronomie. «Das sind genau die Berufe, die wir am GBS auch führen», betont Daniel Kehl. Deshalb möchten die beiden Schulen eine nachhaltige Kooperation weit über die Lieferung von IT-Material hinaus aufbauen. JCT-Principal Albert Mocke und Daniel Kehl haben im Frühjahr einen entsprechenden «Letter of Intent» aufgesetzt und unterzeichnet. 

Eine duale Berufsausbildung mit Unterricht in einer Berufsfachschule und einer Lehre bei einem Arbeitgeber wie in der Schweiz kennt man in Südafrika nicht. Auch deshalb generiert das Projekt in Bonnievale, wo die Schüler in Theorie, aber eben auch in der Praxis unterrichtet werden, Aufmerksamkeit. «Sie stehen hier ganz am Anfang, wir haben 150 Jahre Erfahrung», sagt Daniel Kehl, der die Partnerschaft in Richtung eines kulturübergreifenden Lehreraustausches weiter entwickeln möchte.

 

Anfangs Dezember kommen nun der stellvertretende Leiter der Jakes Gerwel Tegnies, sein Sohn, der auch dort engagiert ist, und die IT-Leiterin der Schule, für eine Woche nach St. Gallen. Die GBS-Leute möchten den südafrikanischen Kollegen zeigen, wie in der Schweiz die duale Berufsausbildung mit Lernenden, die auch in einem Betrieb arbeiten, funktioniert. 

 

Umgekehrt sollen in Zukunft auch GBS-Lehrpersonen aus den drei Bereichen Bau, Technik und Gastronomie die Schule in Bonnievale besuchen. Auch sie können dabei etwas lernen, ist Daniel Kehl überzeugt: «Unter verschiedenen Rahmenbedingungen das Bestmögliche für die Berufsbildung zu erreichen.» 

Unterschiedliche Lebenswelten

 

In Bonnievale müssen oft erst Basics vermittelt werden, die in der Schweiz als selbstverständlich vorausgesetzt werden können. In der Ausbildung von Köchen etwa müssen die Schülern erst lernen, was man aus welchen Lebensmitteln zubereiten kann. Teilweise kommen die Schüler aus Familien, die noch am Boden essen – und auch nicht drei Mahlzeiten am Tag haben.

 

Es bestehe ein grosser Unterschied zwischen der Lebenswelt der Schüler in der Schweiz – und dem, was die Lehrpersonen verlangen können – und der Lebenswelt der Schüler in Südafrika. Aber, betont Daniel Kehl: «Es gibt keinen Unterschied, wenn es um Motivation, Begeisterung und Sinnhaftigkeit geht. Das ist das, was wir lernen können, auch ganz viele Lehrpersonen bei uns.» 

Der Bereich Gastronomie habe in Bonnieval ein grosses Potenzial: «Wo Wein angebaut wird, könnte es Restaurants geben, es könnte eine Kultur à la Toskana geben», sagt Daniel Kehl. Heute könne man auf Weingütern zwar Wein verköstigen, aber es gebe keine Restaurants, weil es keine gelernten Köche, keine gelernten Restaurationsfachleute gebe.

 

Auch Fähigkeiten in den Bereichen Bau und Technik könnten in Bonnievale konkreten Nutzen stiften, indem Blechhütten durch solide Häuser mit funktionierender Haustechnik ersetzt werden könnten. 

 

Was im kleinen Bonnievale passiert, wird im ganzen Land mit Interesse beobachtet. Die Nachrichten einer Fernsehstation schlossen mit dem Kommentar: «Hoffentlich kann diese Erfolgsgeschichte als Vorlage für andere Gemeinden dienen, um eine positive Wende in das Leben von Kindern zu bringen.» (pla.)

 

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