«Návštěva ze St.Gallenu» – Austausch mit Liberec auf Bildungsebene

Liberec liegt über eine Stunde von Prag entfernt im Nordosten von Tschechien, direkt im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. In der Region leben über 440'000 Menschen, während im Kanton St.Gallen rund 520'000 leben. Bekannt ist Liberec vor allem für ihr Glasmacher- und Bijouteriegewerbe, das bereits lange Tradition hat. Weitere bedeutende Branchen sind die Automobil- und LKW-Industrie mit Firmen wie Škoda, Scania und Bosch sowie Maschinenbau und Kunststoffverarbeitung.

Die folgenden Erkenntnisse geben zusammengefasst einen Einblick in die Berufsbildung der Region Liberec:

• keine duale Berufsbildung: Die Berufsbildung findet in den Mittelschulen statt, in denen die allgemeinbildende Ausbildung einen hohen Stellenwert einnimmt
• Jede Mittelschule arbeitet eng mit Unternehmen nach ihrer fachlichen Ausrichtung zusammen, z.B mit Škoda und ČEZ
• Abiturquote: über 60%

Die Herausforderungen liegen in:

• Nationaler Zusammenarbeit
• Unsichere Finanzierungsgrundlage von EU-Unterstützungsgeldern
• Fehlende drei Lernorte: Dadurch sponsoren Unternehmen ihre eigenen Produkte und erwarten vollständig ausgebildete Arbeitnehmende
  Folgen für Berufsmessen: Es sind kaum Unternehmen bzw. Lehrstellen vertreten, dafür präsentieren sich vor allem die Schulen
• Universitäten ziehen Fachkräfte ab
  Folge: Die höhere Berufsbildung ist kaum existent, obwohl sie von den Unternehmen nachgefragt wird

Vorhaben zur Förderung der Berufsbildung und der Fachkräfte:

• Bau von Berufsbildungszentren: moderne Lehrräume an Mittelschulen, die über eine Spitzenausstattung verfügen. Seit 2019 wurden bereits 7 Zentren realisiert.
• Begabtenförderungsmassnahmen wie z.B. Wissenszentrum iQ Landia

Ob eine praktische Ausbildung oder ein Universitätsstudium die Arbeitnehmenden für die Zukunft bestmöglich rüstet, ist in der Tschechischen Republik ein nationaler Diskurs. Dan Ramzer, stellvertretender Regionspräsident des Ressorts Schulwesen von Liberec, gibt eine Einschätzung: «Von einem solch durchlässigen Bildungssystem, wie die Schweiz es kennt, sind wir noch weit entfernt». Politisch sei schon mehrfach über eine mögliche Einführung von dualer Bildung diskutiert worden, doch diese Vorhaben sind wegen fehlender gesetzlicher Regelung sowie fehlender finanzieller Unterstützung seitens der Arbeitgeber und Branchenvertretungen gescheitert. Seitdem legt Liberec den Fokus auf die Errichtung von Berufsbildungszentren mit dem Ziel, die Qualität der Berufsbildung zu steigern. Dabei sind Schlüsselkompetenzen wie zum Beispiel digitale Technologien, Naturwissenschaften, technische und handwerkliche Fachbereiche im Hinblick auf die Industrie 4.0 und die Fremdsprachenkompetenz zentral. Bis 2027 plant die Region Liberec weitere vier Zentren im Bereich Maschinenbau und Robotik, Gesundheitswesen und Soziales, Metall- und Kunststoffverarbeitung sowie Bauwesen.

Umsetzungsprogramm Liberec wird beendet

Zur Eröffnung der nächsten OBA-Messe, die Ende August 2023 stattfindet, ist ein Gegenbesuch der Bildungsdelegation aus Liberec in St.Gallen geplant, um noch einmal abschliessend vom internationalen Fachaustausch auf bildungspolitischer Ebene profitieren zu können. Neben der OBA sollen Berufsfachschulen, eine Berufs- und Laufbahn-Stelle sowie regionale Unternehmen besucht werden, die den tschechischen Bildungsverantwortlichen die Umsetzung der dualen Berufsbildung mit den drei Lernorten und der starken Verflechtung mit den Betrieben und Organisationen der Arbeitswelt näherbringen. Danach wird die St.Galler Regierung die langjährige Partnerschaft mit Liberec in der bisherigen Form und Intensität nicht mehr weiterführen. Die internationale Partnerschaft mit der Region Liberec hat beiden Seiten einen vertieften Einblick in die jeweiligen Strukturen gewährt und einen wertvollen Wissens- und Erfahrungsaustausch ermöglicht.