Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (kurz: Istanbul-Konvention) ist ein internationales Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt und häuslicher Gewalt. Sie zielt darauf ab, Gewalt zu verhindern, Opfer zu schützen und Täterschaft strafrechtlich zu verfolgen.
Ziele und Inhalt der Istanbul-Konvention
Die Istanbul-Konvention (IK) konzentriert sich auf die umfassende Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt durch vier zentrale Handlungsfelder:
Gewaltprävention
- Aufklärung der Öffentlichkeit über die Ursachen und Folgen geschlechtsspezifischer Gewalt
- Förderung der Gleichstellung und Abbau von geschlechtsspezifischen Stereotypen
- Schulung für Fachkräfte zur besseren Erkennung und Prävention von Gewalt
Gewaltschutz und Unterstützung
- Bereitstellung von Notdiensten und Schutzunterkünften für Betroffene
- Zugang zu medizinischer, rechtlicher und psychologischer Hilfe
- Schutzmassnahmen im Strafverfahrenzur Sicherstellung der Opferrechte und –sicherheit
Strafverfolgung und rechtliche Massnahmen
- Schaffung bzw. Ausbau von Gesetzen gegen geschlechtsspezifische Gewalt
- Effektive Strafverfolgung und Bestrafung der Täterschaft
- Spezialisierte Ausbildung für Polizei und Justiz zur Bearbeitung von Gewaltvorfällen
Umfassendes koordiniertes Vorgehen und Datensammlung
- Entwicklung koordinierter (nationaler) Strategien zur Gewaltbekämpfung
- Einrichtung von Überwachungs- und Evaluationsmechanismen
- Systematische Erfassung und Analyse von Daten zu Gewaltfällen zur Verbesserung der Massnahmen
Diese Handlungsfelder ermöglichen eine systematische und umfassende Herangehensweise zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Sie fördern Prävention, Opferschutz, Strafverfolgung sowie internationale Zusammenarbeit. Die IK weist diverse Berührungspunkte zur Konvention gegen Menschenhandel vor, z.B. hinsichtlich Opferschutz und Prävention sowie Berührungspunkte zur Kinderrechtskonvention, z.B. Schutz der Schwächsten und Förderung ihres Wohlergehens.
Historischer Hintergrund der Istanbul-Konvention
Die Schweiz hat die Konvention am 11. September 2013 unterzeichnet und am 14. Dezember 2017 ratifiziert. Seit dem 1. April 2018 ist die Istanbul-Konvention in der Schweiz in Kraft. Dieser Schritt war Teil der nationalen Bemühungen den Schutz von Frauen vor Gewalt zu verstärken und internationale Standards zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt zu erfüllen. Die Ratifizierung erfolgte im Kontext eines umfassenden nationalen Diskurses über Massnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes und zur Prävention häuslicher Gewalt.
Im Zuge der Umsetzung der Istanbul-Konvention verabschiedete die Schweiz am 30. April 2021 auf Basis eines strategischen Dialogs zwischen Bund und Kantone unter Einbezug der Zivilgesellschaft die Roadmap «Häusliche Gewalt». Sie dient als strategischer Leitfaden, der spezifische Handlungsfelder zur Prävention, Unterstützung von Betroffenen und Strafverfolgung festhält. Sie fördert die Zusammenarbeit auf allen Ebenen.
Am 22. Juni 2022 verabschiedete der Bundesrat den Nationalen Aktionsplan (NAP) Istanbul-Konvention. Er baut auf den Erfahrungen und Strukturen der Roadmap Häusliche Gewalt auf und erweitert um zusätzliche Massnahmen und Schwerpunkte. Die Umsetzung erfolgt dynamisch bis zum Abschlussbericht 2026.
Das unabhängige internationale Gremium GREVIO (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domenstic Violence) überwacht die Umsetzung der Istanbul-Konvention. Im Jahr 2022 hat GREVIO ihren ersten Bericht zum Standpunkt der Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz verfasst. Er bildet die Grundlage für die Evaluierung und für die Anpassung der Massnahmen.
Rechtliche Verpflichtungen und nationale Umsetzung
Die Schweiz hat im Rahmen der Istanbul-Konvention mehrere rechtliche Verpflichtungen übernommen und Massnahmen ergriffen, um geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen.
Koordination und Zuständigkeiten
Auf Bundesebenee ist das Eidgenössisches Büro für Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) für die Koordination der Umsetzung der Istanbul-Konvention zuständig. Auf interkantonaler Ebene übernimmt die Schweizerische Konferenz gegen Häusliche Gewalt (SKHG) eine koordinierende Rolle. Diese Zusammenarbeit ermöglicht eine abgestimmte Umsetzung der Massnahmen, sowohl auf nationaler als auch auf kantonaler Ebene. Die SKHG wurde beauftragt im interkantonalen Rahmen bei folgenden Schwerpunkte eine Weiterentwicklung anzustossen:
- Finanzierung (Art. 8 IK)
- Gesamtschweizerische Bildung (Art. 14 IK)
- Arbeit mit gewaltausübenden Personen (Art. 16 IK)
- Erhöhung der Bekanntheit der Opferhilfe (Art. 19 IK)
- Genügend Schutzunterkünfte (Art. 23 IK)
- Krisenzentren für Opfer sexueller Gewalt und Dokumentation von Verletzungen und Spuren der Gewalt (Art. 25 IK)
- Gewaltbetroffene Kinder: Unterstützung und Berücksichtigung der Gewalt in Besuchs- und Sorgerechts-Entscheidungen (Art. 26, 31, 56 IK)
Roadmap «Häusliche Gewalt»
Die Roadmap «Häusliche Gewalt» Sie setzt auf zehn Handlungsfelder, die auf eine umfassende Bekämpfung von häuslicher Gewalt abzielen. Es sind dies:
- Gemeinsames und koordiniertes Vorgehen, indem die Zusammenarbeit zwischen Bunde, Kantone und NGO’s verbessert wird.
- Prävention mittels Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Förderung von Präventionsmassnahmen.
- Schutz und Unterstützung für Opfer mittels Unterkünften und Angeboten.
- Qualitätsstandards im Bedrohungsmanagment zur Früherkennung entwickeln und umsetzen
- Beratung und Unterstützung für gewaltausübende Personen, mittels gewährleisten von Massnahmen zur Rehabitilation und Behandlung.
- Schutz von Kindern die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Damit sind spezifische Schutzmassnahmen und die Schaffung Unterstützungsangeboten gemeint.
- Technische Massnahmen mittels Überwachungsmechanismen zum Schutz von Opfern.
- Einrichtung einer nationalen 24/7 Telefonnummer für Opfer
- Zusätzliche Massnahmen gegen sexualisierte Gewalt, mittels integrieren in die bestehende Roadmap.
- Monitoring und Evaluation, regelmässig
Nationaler Aktionsplan Istanbul-Konvention
Der Nationale Aktionsplan (NAP) enthält 44 Massnahmen, konzentriert sich auf drei Hauptthemen:
- Information und Sensibilisierung der Bevölkerung: Es soll über die verschiedenen Formen von Gewalt und deren Folgen aufgeklärt und auf verfügbare Hilfsangebote aufmerksam gemacht werden.
- Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen: Schulungen für Fachkräfte und ehrenamtlich Tätige, um sie besser auf den Umgang mit gewaltbetroffenen und gewaltausübenden Personen vorzubereiten.
- Prävention und Bekämpfung von sexualisierter Gewalt: Massnahmen zur Prävention und Unterstützung von Opfern sexualisierter Gewalt, einschliesslich forensischer Betreuung und Beweissicherung.
Auftrag der Koordinationsstelle für Häusliche Gewalt und Menschenhandel Kanton St.Gallen
Die Koordinationsstelle für Häusliche Gewalt und Menschenhandel hat den Auftrag, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und Akteurinnen zu fördern. Dies geschieht hauptsächlich durch die Leitung verschiedener «Runde Tische». Dort werden u.a. die Schnittstellen in den Bereichen der Häuslichen Gewalt und Menschenhandel evaluiert und nach Bedarf Projekte und Arbeitsgruppen zur Optimierung dieser Schnittstellen oder Entwicklung von Angeboten erarbeitet. Sie organisiert Aufklärungskampagnen und Schulungen, um Öffentlichkeit und/oder Fachpersonen zu sensibilisieren.
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Koordinationsstelle für Häusliche Gewalt und Menschenhandel
Sicherheits- und Justizdepartement
Oberer Graben 32
9001 St.Gallen