Allgemeine Fragen:
Wesentlich ist nicht die Frage, wie hart wir auf jugendliche Straftaten reagieren, sondern wie sinnvoll und nachhaltig wir reagieren. Ziel des Jugendstrafrechts ist es nämlich, zu verhindern, dass jugendliche Straftäter erneut straffällig werden. Dieses Ziel liegt zweifellos im Interesse der ganzen Gesellschaft. Es kann dann erreicht werden, wenn wir die Ursachen der strafbaren Handlungen untersuchen und es gelingt, diese zu beseitigen. Das schweizerische Jugendstrafrecht macht dies möglich, indem es auf sinnvolle, auf den Einzelfall angepasste Lösungen setzt, die Nachhaltigkeit versprechen. Im Einzelfall können sie durchaus auch hart erscheinen. Unsere auch im internationalen Vergleich tiefen Rückfallquoten sprechen dafür, dass wir mit diesem System den richtigen Weg eingeschlagen haben.
Fragen aus Tätersicht (Kind und Eltern):
Begleiten Sie Ihr Kind zu den ersten Befragungen durch die Polizei oder die Jugendanwaltschaft. Wenn keine überwiegenden Interessen entgegenstehen, haben Sie das Recht, den Befragungen beizuwohnen. Sie erfahren so aus erster Hand, was vorgefallen ist und lernen die zuständigen Personen kennen. Sie werden dabei auch über die nächsten Verfahrensschritte informiert. Sie sind verpflichtet, bei der Erhebung der persönlichen Verhältnisse mitzuwirken. Sie können sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
Die gesetzlichen Vertreter und ein allfälliger Beistand werden immer über ein geringfügiges Verfahren informiert. Natürlich wünschen sich manche Jugendliche, dass die Eltern nichts davon erfahren - doch dieser Wunsch kann nicht erfüllt werden!
Bei erheblicheren Delikten oder im Wiederholungsfall werden bei den Lehrkräften Auskünfte über Wahrnehmungen zur Person und zu deren Verhalten eingeholt. Die Lehrpersonen, wie auch andere an der Erziehung Beteiligte, sind zur Auskunft gegenüber der Jugendanwaltschaft verpflichtet. Wenn Sie dadurch Kenntnisse vom Strafverfahren erhalten, können sie zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Mit Lehrmeistern wird nach Möglichkeit kein Kontakt aufgenommen. Ist aber eine längere Begleitung des Jugendlichen notwendig, kann auch der Arbeitsbereich miteinbezogen werden.
Das strafrechtliche Verfahren bei Jugendlichen ist in der Schweiz grundsätzlich nicht öffentlich. Eine öffentliche Verhandlung wird nur in Ausnahmefällen angeordnet. Auch sonst unterscheidet es sich deutlich vom Ablauf in den TV- Serien aus Deutschland. Die meisten Urteile, gut 90 Prozent, werden im Kanton St. Gallen von der Jugendanwältin oder dem Jugendanwalt in der Form eines Strafbefehls (Urteilsvorschlag) ausgefällt. Die Verhandlung findet in den Räumen der Jugendanwaltschaft, unter obligatorischer Teilnahme des angeschuldigten Jugendlichen und mindestens eines Elternteils statt.
Etwas anders ist es, wenn die Jugendanwaltschaft eine Unterbringung oder einen Freiheitsentzug von über drei Monaten für notwendig hält. Hier wird dann das Kreisgericht am Wohnsitz der Jugendlichen zuständig. Das Gericht tagt in Dreierbesetzung, ein Gerichtsschreiber protokolliert die Verhandlung. Die Jugendanwältin oder der Jugendanwalt vertritt die Anklage und eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt übernimmt die Verteidigung. Auch hier ist die Verhandlung nicht öffentlich, jedoch können Personen, die Schadenersatz oder Genugtuung geltend machen, bei der Verhandlung ihres Sachverhaltes anwesend sein und zu ihrer Forderung Stellung nehmen. Sie müssen aber den Gerichtssaal verlassen, sobald die persönlichen Umstände und die Sanktion verhandelt werden.
Für die Busse haftet ausschliesslich der verurteilte Jugendliche. Die Jugendanwaltschaft legt aus erzieherischen Überlegungen grossen Wert darauf, dass nicht die Eltern für ihre Kinder einspringen. Ratenzahlungen und Zahlungsaufschub werden deshalb auf Nachfrage gewährt. Jeder Jugendliche soll so die geschuldete Summe mit Freizeit- und Ferienarbeit und Taschengeldeinschränkungen selber leisten können.
Das Gesetz bestimmt, dass eine Person, auch wenn sie unmündig ist, für Schaden aus unerlaubtem Handeln haftet - wenn sie zum Zeitpunkt der Tat urteilsfähig war. In aller Regel haftet also ein Jugendlicher für den durch ihn angerichteten Schaden. Die Eltern können nicht belangt werden. Bei vorsätzlicher Schadensverursachung zahlt auch keine Haftpflichtversicherung. So kann es passieren, dass mancher Jugendliche plötzlich hoch verschuldet ist, was ihn noch lange belasten kann. Die Eltern haften nur dann, wenn sie ihr Kind nicht angemessen, altersadäquat, beaufsichtigt haben.
Nein, die Schulden können nicht beim Staat abgearbeitet werden. Die Jugendanwaltschaft bemisst aber Busse und Verfahrenskosten in der Regel so, dass es für das Kind oder den Jugendlichen möglich sein sollte, für die Summe mit entsprechendem Einsatz innerhalb angemessener Frist selbst aufzukommen (Ferien-, Freizeitarbeit, Taschengeldverzicht, Ersparnisse). Dies ist möglich, weil der Gesetzgeber in Bezug auf die Verfahrenskosten bestimmt hat, dass die auf die beschuldigte Person entfallenden Kosten ganz oder teilweise dem Staat auferlegt werden können, wenn diese übermässig belastet würde.
Wer Gesetze im Strassenverkehr in grober Weise übertritt, muss mit dem Entzug oder der Verweigerung des Führerausweises rechnen. Diese Entscheidung liegt aber in der Kompetenz des Strassenverkehrsamtes. Diese Behörde wird mit allen Rapporten der Polizei betreffend Verkehrsdelikten bedient und führt ein eigenständiges Verfahren durch. . Die Verfügungen beider Ämter sind mit Kosten verbunden.
Grundsatz
Wird jemand wegen einer Straftat verurteilt, ist er oder sie vorbestraft. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass man auch im Strafregister eingetragen wird.
Eintragung ins Strafregister
Jugendliche werden nur dann im Strafregister eingetragen, wenn sie wegen einem Vergehen oder Verbrechen verurteilt und
ein Freiheitsentzug,
eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung,
eine offene Unterbringung in einer Einrichtung oder bei Privatpersonen oder
eine ambulante Behandlung
angeordnet wurde.
Entfernung des Eintrags im Strafregister
Bei Jugendlichen werden die Einträge von Urteilen, die einen Freiheitsentzug oder eine Unterbringung in einer geschlossenen
Einrichtung enthalten, nach zwölf Jahren, von Urteilen, die eine offene Unterbringung enthalten, nach zehn Jahren von Urteilen die einzig eine ambulante Behandlung enthalten, nach acht Jahren von Amtes wegen aus dem Strafregister entfernt. Bei einem Urteil mit Freiheitsentzug nach Artikel 25 JStG gilt eine Löschfrist von zwölf Jahren.
Wer führt das Strafregister?
Das Bundesamt für Justiz führt unter Mitwirkung anderer Behörden des Bundes und der Kantone ein zentrales, vollautomatisiertes Strafregister (Vostra). Die Koordinationsstelle KOST, welche zum Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich gehört, übermittelt die eintragungspflichtigen Daten an das Register.
Wer hat Zugang zum Strafregister?
Jede Privatperson kann einen sie selbst betreffenden Auszug aus dem Strafregister anfordern. Weiter haben das Bundesamt für Justiz, die Straf- und Militärjustizbehörden, die Strafvollzugsbehörden, die Koordinationsstellen der Kantone, die Migrations- Einbürgerungs-und Vormundschaftsbehörden sowie das Strassenverkehrsamt die Möglichkeit auf das Strafregister zuzugreifen.
Was erscheint auf dem Strafregisterauszug?
Auf dem Strafregisterauszug erscheint je nachdem, ob eine Behörde oder eine Privatperson diesen bestellt, etwas anderes:
Bestellt der Jugendliche selber einen Auszug, erscheinen die Verurteilungen nur dann, wenn er als Erwachsener wegen weiterer Straftaten verurteilt wurde, die in den Strafregisterauszug aufzunehmen sind. Nimmt eine Behörde Einsicht in das Strafregister, erscheinen alle Urteilsdaten und unter gewissen Voraussetzungen auch Daten über hängige Strafverfahren.
Alle Entscheide gegen ausländische Jugendliche werden ausserdem in Kopie dem Ausländeramt zugestellt. Dieses Amt prüft unabhängig vom strafrechtlichen Verfahren, ob ausländerrechtliche Massnahmen angezeigt sind.
Am Ende jedes Entscheides und jeder Verfügung steht, ob und an welche Instanz ein Entscheid weitergezogen werden kann.
Fragen aus Geschädigten-/Opfersicht (Kind und Eltern):
Straftaten werden in der Regel vom Staat ohne Rücksicht auf den Willen eines Geschädigten verfolgt (Offizialdelikt). Ausgenommen sind die Antragsdelikte, bei denen der Verletzte die Verfolgung des Täters beantragen muss (Antragsdelikt).
Jede Person, die durch eine Tat verletzt wurde, kann die Bestrafung des Täters verlangen.
Handelt es sich dabei um ein Antragsdelikt (meist geringfügige oder sehr persönliche Delikte), spricht man von einem „Strafantrag“. Dieser muss innert 3 Monaten seit dem Tag eingereicht werden, an dem der Täter dem Antragssteller bekannt wird. Auch ein Minderjähriger kann selbständig Strafantrag stellen, wenn er urteilsfähig ist. Ist eine Person handlungsunfähig oder eine minderjährige Person nicht urteilsfähig, so ist der gesetzliche Vertreter zum Antrag berechtigt. Ein Strafantrag kann jederzeit bis zum Abschluss des Verfahrens zurückgezogen werden. Das Einreichen und der Rückzug eines Strafantrags gilt immer für alle derselben Tat Beschuldigten.
Handelt es sich nicht um ein Antrags-, sondern um ein Offizialdelikt, so spricht man von einer „Strafanzeige“. Diese kann von jedermann, also auch von Kindern, bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft (Jugendanwaltschaft) eingereicht werden und ist an keine Frist gebunden. Die Möglichkeit Strafanzeige zu erstatten, wird nur durch die Verfolgungsverjährung limitiert.
Der Anzeigeerstatter muss nicht durch die Tat persönlich betroffen worden sein. Der Staat nimmt die Anzeige zur Kenntnis und muss dann von Amtes wegen die Strafverfolgung einleiten. Ein Rückzug durch den Anzeigeerstatter ist daher nicht möglich.
Nein, grundsätzlich nicht, denn die beschuldigte Person kann verlangen, mit der Person, die ihn mit einer Straftat belastet, konfrontiert zu werden. Daher muss die anzeigende Person bekannt sein. Anonym bleiben kann man nur in ganz seltenen Ausnahmefällen. Diese werden vom Jugendanwalt bestimmt. Die Polizei kann keine Anonymität zusichern. Jedoch kann man als Hinweisgeber, also als jemand, der eine Straftat beobachtet hat, der Polizei telefonisch oder schriftlich Mitteilung machen, ohne seine Identität anzugeben. Die Polizei wird dann die notwendigen Untersuchungsmassnahmen einleiten.
Der Strafantrag kann vom Antragssteller zurückgezogen werden, solange das Urteil der ersten Instanz noch nicht verkündet ist. Der Rückzug betrifft alle Mitbeteiligten der gleichen Tat und nicht nur denjenigen, den man beim Rückzug ausdrücklich nennt.
Eine Strafanzeige, also die Meldung an eine Behörde, dass eine strafbare Handlung geschehen sei, kann nicht zurückgezogen werden. Die Untersuchungsbehörde erledigt die Strafanzeige aufgrund von polizeilichen Ermittlungen mit einem Strafbefehl oder durch Anklageerhebung beim Kreisgericht. Reicht hingegen der Inhalt der Strafanzeige nicht, um eine Verurteilung vorzunehmen, wird das entsprechende Verfahren eingestellt. Bei offensichtlichem Fehlen einer strafbaren Handlung wird eine Nichtanhandnahmeverfügung erlassen.
Deine Eltern werden bei der Einleitung eines Strafverfahrens in jedem Fall informiert. Falls es sich beim Täter dieser Misshandlungen aber um einen Elternteil von dir handelt, dann wende dich unbedingt an das Kinderschutzzentrum. Du wirst dort in solchen Situationen Unterstützung erhalten.
Grundsätzlich gilt: „Jeder zahlt seinen Schaden selber“ ausser wenn er den Schaden einem Dritten überbinden kann.
Ein ausgewiesener Schaden kann vom Richter dem Verurteilten überbunden werden. Der Richter kann den Verurteilten bei schwerer persönlicher Betroffenheit des Klägers auch verpflichten, eine Genugtuung zu zahlen.
Bei Opfern einer Straftat (körperliche oder psychische Beeinträchtigung), die nicht durch den Täter schadlos gehalten werden, besteht bei Bedürftigkeit die Möglichkeit, innert fünf Jahren seit dem die Straftat begangen wurde, ein Gesuch um Entschädigung und Genugtuung an den Kanton zu richten, in dem die Straftat begangen wurde (siehe auch www.ohsg.ch/rechtliches/entschadigung-genugtuungneues Fenster).