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Publiziert am 18.03.2024 10:52 im Bereich Staatsanwaltschaft & Jugendanwaltschaft

Bereits zum zweiten Mal erscheint der Geschäftsbericht der Staatsanwaltschaft St.Gallen im digitalen Format. Wie im Vorjahr bietet der Geschäftsbericht auch dieses Jahr wieder mit spannenden Themen und Informationen einen abwechslungsreichen Blick hinter die Kulissen der Staatsanwaltschaft St.Gallen.

Die Staatsanwaltschaft in Zahlen

Auch 2024 war geprägt von einer hohen Arbeitsbelastung in allen Bereichen der Staatsanwaltschaft. Der Eingang von neuen Straffällen im Vergehens- und Verbrechensbereich hat sich auf hohem Niveau stabilisiert. Deutlich zugenommen haben die Straffälle im Bereich der Übertretungstatbestände (+16.1%), welche vom Bussenzentrum des Kantonalen Untersuchungsamtes bearbeitet werden. Die Erledigungszahlen der Untersuchungsämter blieben gegenüber dem Vorjahr weitgehend unverändert. Deutlich zugenommen haben die Erledigungszahlen des Bussenzentrums des Kantonalen Untersuchungsamtes (+6.8%) und die Abschlüsse von Jugendstrafverfahren durch die Jugendanwaltschaft (+16.8%). Seitens der Untersuchungsämter wurden insgesamt 16'676 Verfahren erledigt, wobei das Strafbefehlsverfahren mit 11'581 erlassenen Strafbefehlen die Haupterledigungsart darstellt.

Rückblick: Umsetzung der Revision im Sexualstrafrecht – ein Paradigmenwechsel

Am 1. Juli 2024 fand die «Nein heisst Nein»-Lösung Einzug ins Sexualstrafrecht und führte dabei einem Paradigmenwechsel herbei – vom reinen Schutz vor Gewalt hin zum Schutz des freien Willens in sexuellen Belangen. Der vom Gesetzgeber angestrebte gesellschaftliche Wandel muss sich in der künftigen Führung von Sexualstrafverfahren widerspiegeln, was neue Herausforderungen in den Beweisführungen mit sich bringt. Die Staatsanwaltschaft St.Gallen hat daher zusammen mit dem Kompetenzzentrum für Strafrecht und Kriminologie der Universität St.Gallen eine Weiterbildung entworfen, die auf die Bedürfnisse der Verfahrensleitungen zugeschnitten ist. Diese stiess bei den Ostschweizer Staatsanwaltschaften auf grosses Interesse. Verteilt über das Jahr 2024 fanden mehrere Weiterbildungstage statt, an welchen Verfahrensleitende aller Ostschweizer Staatsanwaltschaften teilnahmen. Dabei vermittelte Strafrechtsprofessorin Monika Simmler die theoretischen Grundlagen. Anschliessend wurden in Workshops praktische Fragestellungen diskutiert. Die Kombination aus Theorie und Praxis wurde seitens der Teilnehmenden sehr geschätzt.

Einblick: Therapeutische Massnahmen im Strafrecht - Psychisch schwer gestört oder doch «bloss» kriminell?

Strafe allein wird schnell zum stumpfen Schwert, wenn eine straffällige Person psychisch krank ist – erst recht, wenn es darum geht, der Gefahr künftiger Straftaten eines Straftäters effektiv zu begegnen. Liegt ein psychiatrisches Gutachten vor und ist gemäss diesem zu befürchten, dass der Straftäter auch nach Verbüssung der Strafe schwerste Verbrechen begehen wird, legitimiert das Strafgesetzbuch das Gericht, eine therapeutische Massnahme anzuordnen. Ziel ist die verurteilte Person so zu resozialisieren, dass sie künftig nicht mehr straffällig wird, wobei die Massnahme grundsätzlich so lange dauert, bis ihr Zweck erreicht ist. Mit Vollzugsöffnungen sollen verurteilte Personen schrittweise an die Freiheit gewöhnt und die erzielten Therapieerfolge erprobt werden, wobei der Umgang mit dem Rückfallrisiko eine zentrale Rolle zukommt. Vor Vollzugsöffnungen müssen teilweise diffizile Grenzentscheide getroffen werden, bei denen die Sicherheit der Bevölkerung auf dem Spiel steht. In solchen Fällen schafft die Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftäterinnen und Straftätern durch eine interdisziplinäre Beurteilung einen wesentlichen Mehrwert. Dieses interdisziplinär zusammengesetzte Gremium besteht aus 16 Vertretenden der Strafverfolgungs- und Justizvollzugsbehörden sowie der Psychiatrie aus mehreren Kantonen. Präsident der Kommission ist seit 2022 Dr. Peter Straub, Leitender Staatsanwalt im Kanton St.Gallen. Mit der gebotenen Distanz und der Optik von nicht direkt involvierten Expertinnen und Experten gelingt es der Fachkommission, eine fundierte Beurteilung der Gemeingefährlichkeit vorzunehmen. Ihr Beizug schafft so einen Mehrwert im Abwägungsprozess zwischen Resozialisierung und dem Schutz vor gemeingefährlichen Straftäterinnen und Straftätern.

Der Jahresbericht 2024 der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen ist über folgenden Link erreichbar: Jahresbericht 2024 neues Fenster