Bundesgericht fällt wegweisenden Entscheid zu verfrüht abgeschlossenen Beschaffungsverträgen
Auch bei langwierigen Vergabeverfahren nimmt erfahrungsgemäss der Zeitdruck gegen Ende zu. Auftraggeber wollen möglichst schnell nach dem Zuschlag den Vertrag abschliessen. Das Bundesgericht zeigt in einem am 16. Juli 2025 veröffentlichten Entscheid (Urteil 2D_14/2024 vom 19. Mai 2025, zur Publikation als BGE vorgesehen) auf, wie die kantonalen Gerichte mit eimem verfrüht abgeschlossenen Beschaffungsvertrag umgehen müssen. Im konkreten Fall wurde der Vertrag bereits am Tag nach Ablauf der 20-tägigen Rechtsmittelfrist unterzeichnet. Eine ausgeschlossene Anbieterin erhob am letzten Tag der Frist Beschwerde gegen den eigenen Ausschluss und den Zuschlag an eine andere Anbieterin. Das Verwaltungsgericht gewährte sofort die aufschiebende Wirkung und untersagte der Gemeinde den Vertragsabschluss. Weil der Vertrag aber bereits abgeschlossen war, sah das Verwaltungsgericht trotz Aufhebung des Ausschlusses nur noch die Möglichkeit, im Rahmen des Sekundärrechtsschutzes Schadenersatz zuzusprechen (der aber von der Beschwerdeführerin nicht verlangt worden war). Der Primärrechtsschutz (hier Rückweisung an den Auftraggeber zur Evaluation des aussichtsreichen günstigsten Angebots der Beschwerdeführerin) sei ausgeschlossen.
Das Bundesgericht korrigiert diesen Entscheid und hält fest, dass der vergaberechtswidrige vorzeitige Vertragsabschluss den Primärrechtschutz nicht einfach entfallen lasse. Es verpflichtet die kantonalen Gerichte, künftig in diesen Fällen alle Möglichkeiten zur Aufhebung des bereits abgeschlossenen Vertrags zu prüfen (inkl. Abbruch einer bereits begonnenen Ausführung oder gar Nichtigerklärung des Vertrags). Kommt hingegen eine auch bloss teilweise Neuvergabe nicht mehr in Frage, weil bspw. der Auftrag bereits fertig ausgeführt wurde, kann Schadenersatz zugesprochen werden, der über die Aufwendungen der Beschwerdeführerin für die Teilnahme am Verfahren hinausgeht.
Bisher konnten Auftraggeber, die den Vertrag vorzeitig abschlossen hatten, darauf vertrauen, dass schlimmstenfalls Schadenersatz für die Aufwendungen der Beschwerdeführerin geleistet werden musste. Künftig kann der verfrühte Vertragsabschluss (durch Nichtabwarten der Beschwerdefrist und der üblichen Stillhaltefrist von fünf Tagen) weit unangenehmer und teurer werden.
- Link zum Urteil: https://search.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza://19-05-2025-2D_14-2024&lang=de&zoom=&type=show_document neues Fenster
- Erste Besprechung des Urteils in: Walder-Wyss_Vergabe-News-39_Bundesgerichtliche-Klaerungen-und-Unschaerfen-zu-verfrueht-abgeschlossenen-Beschaffungsvertraegen.pdf neues Fenster