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Publiziert am 02.07.2025 08:30 im Bereich Allgemein
Man sieht zwei Menschen mit einer Beeinträchtigung.

Die Regierung des Kantons St.Gallen legt dem Kantonsrat eine umfassende Revision des Gesetzes über die soziale Sicherung und Integration von Menschen mit Behinderung vor. Mit drei Nachträgen werden die Selbstbestimmung beim Wohnen und die Gleichstellung verbessert – für erwachsene Menschen mit Behinderung und Kinder in familienergänzenden Betreuungsangeboten.

Ziel der Revision des «Behindertengesetzes (BehG)» ist eine stärkere Verankerung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in der St.Galler Rechtsordnung. In einer Sammelvorlage verbessert der Kanton in verschiedenen Bereichen die Situation für die Betroffenen – und dämpft damit auch das Kostenwachstum.

Besserer Zugang zu selbständigem Wohnen

Kern der Vorlage und Inhalt des ersten Nachtrags zum BehG ist ein neues Finanzierungssystem im Bereich Wohnen mit ambulanter Unterstützung. Dieses ermöglicht Menschen mit Behinderung selbständig und selbstbestimmt in der eigenen Wohnung leben zu können. Dafür erfassen die Betroffenen in einem Unterstützungsplan ihren Bedarf, welcher von einer unabhängigen Einschätzungsstelle überprüft wird. Darauf basierend spricht die zuständige kantonale Stelle die nötigen finanziellen Mittel, damit diese Leistungen bezogen werden können. Diese Mittel ergänzen die übrigen Unterstützungsleistungen, beispielsweise der Invalidenversicherung (IV).

Durch die erwartete Verschiebung aus dem Wohnen im stationären Bereich, also in Wohnheimen, in den ambulanten Bereich, resultieren auch Einsparungen bei den Ergänzungsleistungen (EL). Die im überarbeiteten BehG vorgesehenen neuen Leistungen kosten den Kanton St.Gallen mittelfristig rund 11 Millionen Franken. Durch die gleichzeitige Einsparung bei den EL rechnet der Kanton bis ins Jahr 2034 insgesamt mit einer Kostendämpfung von 10 Millionen Franken.

Behindertengleichstellung verbessern

Mit gezielten Anpassungen, sowohl am BehG als auch an anderen Gesetzen, will die Regierung zudem Verbesserungen bei der Behindertengleichstellung erreichen. So werden im zweiten Nachtrag des BehG die Aufgaben der Verwaltung zur Beratung und Sensibilisierung hinsichtlich der Behindertengleichstellung ausgebaut. Zudem sollen künftig gesetzliche Anpassungen, die einen Zusammenhang zum Behindertengleichstellungsrecht haben, immer auf ihre Übereinstimmung mit der UN-BRK überprüft werden.

Kinder mit Behinderung in Kitas

Die dritte und letzte Anpassung zum BehG umfasst eine Finanzierungslösung für die Betreuung von kleinen Kindern mit Behinderung in Kitas. Hier besteht aktuell eine Versorgungslücke und die Finanzierung ist nicht gesichert. Eltern von Kindern mit einer Behinderung soll ermöglicht werden, ihre Kinder in einer Kita betreuen zu lassen. Dafür sollen den Betreuungseinrichtungen künftig Mehraufwände bei Betreuung und Koordination abgegolten werden. Zudem soll das Personal im Umgang mit den Kindern mit besonderen Bedürfnissen geschult werden. Die Finanzierung teilen sich der Kanton und die politischen Gemeinden auf.

Breite Zustimmung in der Vernehmlassung

Zur Sammelvorlage wurde eine breite Vernehmlassung durchgeführt, die von Oktober 2024 bis Februar 2025 dauerte. Da von der Revision des BehG vor allem Menschen mit einer Behinderung betroffen sind, standen die Unterlagen auch in Einfacher und Leichter Sprache zur Verfügung. Es gingen 53 Stellungnahmen ein. Grundsätzlich zeigte die Vernehmlassung grosse Zustimmung zu den vorgesehenen Anpassungen.

Kritisiert worden ist vor allem, dass die Anpassungen zu wenig weit gehen, zum Beispiel dass kein eigentliches Behindertengleichstellungsgesetz geschaffen wird und, dass noch nicht klar ist, wie die Höhe der Entschädigungen für die ambulanten Leistungen definiert wird. Diese Kompetenz liegt bei der Regierung, welche die Ansätze für die Leistungen auf Verordnungsstufe festlegen wird. Auch die Ausweitung der Barrierefreiheit auf öffentlich zugängliche Gebäude im Eigentum der öffentlichen Hand wurde stark kritisiert, weshalb von dieser Anpassung abgesehen wird.

Die Regierung hat die Sammelvorlage nun dem Kantonsrat für die Beratung zugeleitet. Dieser wird im September die vorberatende Kommission für dieses Geschäft bestellen, die zweite Lesung findet voraussichtlich Anfang 2026 statt. Der erste Nachtrag untersteht zudem dem obligatorischen Finanzreferendum, weshalb eine Volksabstimmung durchgeführt werden wird. Der Vollzug des neuen Gesetzes ist auf Anfang 2027 vorgesehen.

Die Botschaften und die Entwürfe zum I., II. und III. Nachtrag zum Gesetz über die soziale Sicherung und Integration von Menschen mit Behinderung sind im Ratsinformationssystem unter den Geschäftsnummern 22.25.04 / 22.25.05 / 22.25.06 abrufbar.