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Publiziert am 16.04.2024 09:00 im Bereich Allgemein
Einige Akten, die auf einem Schreibtisch liegen.

Die Rechtspflegekommission hat ihren Bericht über die Prüfungstätigkeit 2023/2024 verabschiedet. Sie prüfte das Kantonsgericht, die Verwaltungsrekurskommission und die Strafanstalt Saxerriet. Übergreifendes Schwerpunktthema war dabei die Wahrung der Kinderrechte. Neben einem Antrag und einem Standesbegehren unterbreitet sie dem Kantonsrat mehrere Empfehlungen.

Die Rechtspflegekommission hat sich bei den Visitationen über den Umgang mit Kindern im Verfahren beziehungsweise im Strafvollzug informiert. Dem Kantonsgericht empfiehlt sie, auf eine kinderfreundliche Einrichtung für Kinderanhörungen zu achten.

Die Strafanstalt Saxerriet hat ein Familienbesuchszimmer eingerichtet. Sie ermöglicht es Vätern unter gewissen Voraussetzungen über ein halbes Jahr hinweg einmal monatlich an Gruppenausflügen mit ihren Kindern teilzunehmen, die durch Mitarbeitende der Strafanstalt und eine Sozialpädagogin begleitet werden. Die Rechtspflegekommission erachtet die Vater-Kind-Tage als wertvolles Instrument, um die familiäre Beziehung zu erhalten und ein ungezwungenes Zusammensein zu ermöglichen.

Schliesslich liess sich die Rechtspflegekommission von der Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz über deren Tätigkeit informieren.

Visitierte Stellen im Prüfungsjahr 2023/2024

Beim Besuch des Kantonsgerichtes traf die Subkommission auf motivierte und zufriedene Mitarbeitende und ein positives Arbeitsklima. Die Urteile sind qualitativ überzeugend – 99,6 Prozent wurden im letzten Jahr von den Parteien akzeptiert oder durch das Bundesgericht bestätigt.

Das Kantonsgericht leidet jedoch unter einer anhaltend hohen Geschäftslast. Verschärfend kommt hinzu, dass die Schweizerische Strafprozessordnung die zweitinstanzlichen Gerichte seit dem 1. Januar 2024 verpflichtet, Fälle innerhalb von zwölf Monaten zu erledigen. Diese Frist kann das Kantonsgericht aufgrund des hohen Pendenzenstands nicht einhalten. In diesem Zusammenhang soll eine Aufstockung von neun auf elf hauptamtliche Richterinnen und Richter am Kantonsgericht geprüft werden. Das Kantonsgericht wird dieses Anliegen im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses einbringen. Die Rechtspflegekommission empfiehlt dem Kantonsrat, die starke Belastung des Kantonsgerichtes bei der Beratung von Stellenbegehren zu berücksichtigen.

Die Verwaltungsrekurskommission weist ebenfalls eine hohe Geschäftslast auf. Dennoch sind die Mitarbeitenden in der Lage, die Verfahren innert angemessener Frist zu bewältigen. Die Infrastruktur des Gerichts ist zweckmässig. Nach einem sicherheitsrelevanten Vorfall wurden räumliche Anpassungen vorgenommen, welche verunmöglichen, dass Unbefugte in die Büroräumlichkeiten des Gerichts eindringen können.

Bei der Visitation der Strafanstalt Saxerriet zeigte sich, dass diese unter grossem Einsatz der Leitungsebene professionell geführt und die Vollzugs- und Arbeitsbedingungen stetig verbessert werden. Der offene Vollzug funktioniert: Es sind jährlich nur wenige Fluchten zu verzeichnen. Bei der Infrastruktur besteht Erneuerungsbedarf. Als besonders dringlich erachtet die Subkommission den räumlichen Ausbau der Geschlossenen Übergangsabteilung, die Erneuerung der in die Jahre gekommenen technischen Infrastruktur und den Einbau von Duschkabinen in den Gruppenduschen des offenen Vollzugs.

Fähige Richterinnen und Richter ernennen – Kompetente Gerichte erhalten

Die Rechtspflegekommission schreibt in Zukunft haupt- und nebenamtliche Vakanzen der kantonalen Gerichte öffentlich aus. Damit möchte sie die Rekrutierungsbasis erweitern, um die qualifiziertesten Kandidatinnen und Kandidaten für ein Richteramt zu finden.

Eine Massnahme, um den Rekrutierungspool im Bereich der Kreisgerichte zu vergrössern, ist eine ausgedehnte Wohnsitzpflicht. Die Vorgabe, dass Richterinnen und Richter der Kreisgerichte zur Ausübung des Amtes im entsprechenden Gerichtskreis wohnen müssen, erachtet die Rechtspflegekommission als nicht mehr zeitgemäss. Sie beantragt dem Kantonsrat daher eine Anpassung des Gerichtsgesetzes, um die Wohnsitzpflicht vom Gerichtskreis auf den Kanton auszudehnen.

Um das Kantonsgericht zu entlasten und dessen Funktionsfähigkeit zu erhalten, reicht die Rechtspflegekommission schliesslich das Standesbegehren 41.23.03 «Verzicht auf die schriftliche Begründung von Urteilen ermöglichen» ein. Die Schweizerische Strafprozessordnung soll angepasst werden. Sämtliche kantonalen Gerichte sollen von der schriftlichen Begründung von Urteilen absehen können, wenn alle Prozessparteien darauf verzichten. Bei der Ausgestaltung des Begründungsverzichts soll geprüft werden, ob dieser unabhängig von der ausgesprochenen Strafe ermöglicht werden kann.

Der Kantonsrat berät den Bericht der Rechtspflegekommission in der kommenden Aufräumsession in einziger Lesung. Der Bericht ist auf der Webseite des Kantonsrates (www.kantonsrat.sg.ch) unter der Geschäftsnummer 82.24.02 zu finden.

Die Rechtspflegekommission des Kantonsrates

Die Rechtspflegekommission ist das parlamentarische Aufsichtsgremium über die kantonalen Justizbehörden. Im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit führt sie Visitationen bei Institutionen durch. Neben der Prüfungstätigkeit ist die Rechtspflegekommission dafür verantwortlich, die Wahlen in die kantonalen Gerichte vorzubereiten und zu beurteilen, ob sich die Kandidatinnen und Kandidaten für das Richteramt fachlich eignen.