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Publiziert am 18.11.2020 11:00 im Bereich Allgemein
Hand schreibt an Wandtafel

Eine der Regierung eingereichte Petition verlangt, dass die Mittel- und Berufsfachschulen im Kanton erneut zum Fernunterricht wechseln sollen. Die Regierung möchte insbesondere aufgrund der gemachten Erfahrungen im Frühjahr möglichst auf diese Massnahme verzichten. Unter anderem sind entsprechende Unterrichtsstrukturen nicht flächendeckend gewährleistet und die strengen Schutzkonzepte bieten beim Präsenzunterricht ausreichend Schutz.

In der von 9100 Personen unterzeichneten Internet-Petition eines Schülers der Kantonsschule am Brühl St.Gallen wird geltend gemacht, durch den Fernunterricht könne die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus für alle am Schulbetrieb Beteiligten gesenkt werden. Die Schülerinnen und Schüler könnten dem Unterricht von zu Hause aus folgen, was insbesondere für jene, die sich in Quarantäne befänden, von grossem Vorteil sei. Zudem könnten die Schülerinnen und Schüler ihre Reife beweisen und zeigen, dass sie auch in dieser Phase risikofrei dem Unterricht folgen.

Lernziele werden im Präsenzunterricht besser erreicht

Die Regierung teilt in ihrer Petitions-Antwort mit, dass sie Verständnis für dieses Anliegen hat, aber auf die Massnahme «Fernunterricht auf der Sekundarstufe II» möglichst lange verzichten möchte. Sie begründet dies insbesondere mit den Auswertungen zum Fernunterricht während des Lockdowns im Frühling dieses Jahres.

Wissenschaftliche Untersuchungen und eine breit angelegte Befragung aller st.gallischen Mittelschülerinnen und Mittelschüler haben gezeigt, dass viele Schülerinnen und Schüler die Lernziele im Fernunterricht nur teilweise oder gar nicht erreicht haben. Grob kann gesagt werden, dass ein Drittel der Schülerinnen und Schüler im Fernunterricht die gleichen Lernfortschritte machte wie im Präsenzunterricht; ein Drittel der Schülerinnen und Schüler zeigte schlechtere Leistungen und das letzte Drittel fiel massiv ab. Seitens der Lehrpersonen wurde festgestellt, dass in vielen Fächern die Stoffdichte reduziert werden musste. Es wird befürchtet, dass bei einer Fortsetzung des Fernunterrichts die Ausbildungsziele insgesamt nicht mehr erreicht werden können. Somit wäre das vordringliche Ziel der Mittelschulen, die Absolvierenden studierfähig zu machen, gefährdet.

Ausbildungen der Berufsbildung richten sich nach eidgenössischen Bildungsverordnungen und einheitlichen Qualifikationsverfahren. Eine kantonsspezifische Anordnung von Fernunterricht würde den Ausbildungserfolg von St.Galler Berufslernenden massgeblich gefährden und sie gegenüber Lernenden aus anderen Kantonen, in denen weiterhin Präsenzunterricht stattfindet, benachteiligen. Zudem wäre insbesondere bei schwächeren Lernenden der Berufseinstieg aufgrund von allfälligen Wissenslücken erschwert.

Gutes Lernen braucht den sozialen Austausch

Schule ist mehr als Wissensvermittlung, sie ist ein sozialer Vorgang und lebt vom direkten, «physischen» Austausch. Schülerinnen und Schüler lernen nicht nur aus Büchern, Skripten oder Online-Medien, sondern entscheidend auch von der Lehrperson und voneinander – vor, nicht hinter dem Bildschirm. Dies ist die Haupterkenntnis aus dem Fernunterricht und gilt nicht nur für die Volksschule, sondern auch für die Mittelschulen und Berufsfachschulen.

Ergänzend zum Präsenzunterricht und in durchdachten pädagogischen Settings hat Lernen auf Distanz Potential. Solche Settings werden in der IT-Bildungsoffensive getestet. Vollumfänglicher Fernunterricht anstelle von Präsenzunterricht wird dem schulischen Qualitätsanspruch dagegen nicht gerecht. Er soll daher nicht ohne grosse Not angeordnet werden. Die strengen Schutzkonzepte erlauben es in der aktuellen Pandemiesituation, den Präsenzunterricht guten Gewissens aufrechtzuerhalten.

Zeugnisse sowie Schul- und Lehrabschlüsse nicht gefährden

Valide Prüfungen sind im Fernunterricht kaum möglich. Nach dem Lockdown vom Frühling fehlte es denn auch im Sommer an einer soliden Notenbasis für die Leistungsbewertungen. Dies führte dazu, dass an den Mittelschulen keine Zeugnisse ausgestellt werden konnten. Die Schlussprüfungen konnten nur eingeschränkt durchgeführt werden. Noch schwieriger zeigte sich die Situation bei den Lehrabschlüssen. Hier musste teilweise ganz auf die Lehrabschlussprüfungen verzichtet werden. Eine erneute Anordnung von Fernunterricht würde die Zeugniserteilung im Januar 2021 wie auch die Schul- und Lehrabschlüsse im Sommer 2021 gefährden.

Die Schutzkonzepte für den Präsenzunterricht auf der Sekundarstufe II sind sehr streng. Sofern die Schülerinnen und Schüler sich sowohl während als auch vor und nach dem Unterricht und in den Pausen daran halten, bieten sie ausreichendend Schutz.