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Publiziert am 26.02.2021 10:23 im Bereich Gerichte

Das Kantonsgericht hat ein beschuldigtes Elternpaar wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und weiterer Delikte schuldig erklärt und zu Freiheitsstrafen von 30 beziehungsweise 21 Monaten verurteilt. Als nicht erwiesen erachtete das Gericht demgegenüber, dass die Eltern das Kind an einem heissen Sommertag allein zurückgelassen und dadurch den Tod des Mädchens verursacht hatten.

Gemäss Anklage der Staatsanwaltschaft sollen die beiden Beschuldigten aufgrund ihres Drogenkonsums ihre Tochter psychisch, medizinisch, sozial-emotional und körperlich massiv vernachlässigt haben. Überdies sollen sie ihre Tochter am Nachmittag des 3. Juli 2015, einem heissen Sommertag, für über zwei Stunden alleine im Kinderzimmer im Dachgeschoss ihres Wohnhauses zurückgelassen haben, wo das Mädchen in der Folge verstorben sei. Schliesslich soll die beschuldigte Mutter den Leichnam während mehrerer Tage auf der Matratze im Dachgeschoss liegen gelassen und mutmasslich am 9. Juli 2015 in einen Koffer gesteckt und im Keller versteckt haben.

Das Kreisgericht Rorschach verurteilte den beschuldigten Vater mit Entscheid vom 12. Dezember 2018 wegen fahrlässiger Tötung, Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht sowie qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Die beschuldigte Mutter wurde wegen fahrlässiger Tötung, Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, Störung des Totenfriedens, falscher Anschuldigung sowie mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Gegen diesen Entscheid erhoben beide Beschuldigten Berufung und verlangten vollumfängliche bzw. grossmehrheitlich Freisprüche. Die Staatsanwaltschaft forderte mittels Anschlussberufung Schuldsprüche wegen vorsätzlicher Tötung sowie höhere Freiheitsstrafen.

Die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen hat nun den Entscheid des Kreisgerichts in Bezug auf den Vorwurf der fahrlässigen Tötung aufgehoben. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Kreisgericht nehmen an, dass das Kind am Nachmittag des 3. Juli 2015 allein gelassen worden und an einem Hitzetod gestorben ist. Nach eingehender und sorgfältiger Würdigung aller Beweise gelangt das Kantonsgericht zum Schluss, dass diese Annahme nicht haltbar ist. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen belegen den von der Staatsanwaltschaft und dem Kreisgericht angenommenen Todeszeitpunkt nicht und lassen überdies keinen Schluss auf die Todesart und -ursache zu. Auch die Kantonspolizei St. Gallen gelangte in ihrem Schlussbericht zur Auffassung, dass der 3. Juli 2015 als Todeszeitpunkt "eher unzutreffend" sei. Und selbst die Staatsanwaltschaft räumte vor Kreisgericht ein, dass nicht gesagt werden könne, an was genau das Kind gestorben sei. Vor diesem Hintergrund können der in der Anklage enthaltene Todeszeitpunkt und die vom Kreisgericht gestützt darauf angenommene Todesursache nicht als erwiesen betrachtet werden. Da der gesamte Entscheid des Kreisgerichts auf dieser Annahme beruht, ist der vorinstanzliche Schuldspruch nicht haltbar und aufzuheben.

Nachweisen lassen sich demgegenüber verschiedene und zum Teil erhebliche Verletzungen der Fürsorgepflicht gegenüber dem Kind, namentlich der Konsum von Kokain während der Stillzeit und die ausgebliebenen kinderärztlichen Besuche trotz Entwicklungsauffälligkeiten. Hierfür sind die Beschuldigten schuldig zu sprechen. Die Vernachlässigungen haben aber nicht im von der Staatsanwaltschaft behaupteten und vom Kreisgericht angenommenen Ausmass stattgefunden. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die ungeklärte Todesursache kann nicht gesagt werden, die eingangs erwähnten Vernachlässigungen durch die Beschuldigten hätten zum Tod ihres Kindes geführt. Andere Ursachen bleiben möglich. Auch unter dem Gesichtspunkt der geschilderten Vernachlässigungen scheidet ein Schuldspruch wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung deshalb aus.

Erwiesen ist, dass die Mutter den Leichnam ihrer Tochter in einen Koffer gesteckt und im Keller versteckt hat. Sie hat damit den Leichnam verunehrt und ist deshalb wegen Störung des Totenfriedens schuldig zu sprechen. Hierfür und für die weiteren Schuldsprüche wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, falscher Anschuldigung und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz wird sie zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Davon sind 12 Monate vollziehbar. Der beschuldigte Vater wird wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt. Zudem haben die Beschuldigten Verfahrenskosten in der Höhe von über Fr. 100'000.00 zu bezahlen.

Hinweis an die Redaktionen:

Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Die ausführliche Begründung erfolgt in einem späteren Zeitpunkt. Weitere Auskünfte werden derzeit nicht erteilt.