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Publiziert am 15.04.2022 06:00 im Bereich Bildungsdepartement

«Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg» sagte der chinesische Philosoph Laotse. Was aber, wenn mehrere Ziele gleichzeitig erreicht werden sollen und das Streben nach einem Ziel, die Erreichung eines anderen Ziels erschwert? Welcher Weg soll dann eingeschlagen werden, wer hilft mir, diesen Weg zu beschreiten, und kann ich mit einem Weg vielleicht sogar zwei Ziele erreichen?

In der Schweiz sind wir uns ein gewisses Sicherheitsdenken gewohnt. Zuerst soll eine vernünftige Ausbildung abgeschlossen werden, erst danach können andere Ziele oder Träume verfolgt werden. Schliesslich möchte man, wenn die Träume nicht erreicht werden, nicht mit leeren Händen und ohne Sicherheitsnetz, sprich abgeschlossene Berufsausbildung dastehen. Gerade Eltern streben das langfristige Wohl ihrer Kinder an, weshalb Sicherheit für die Zukunft einen hohen Stellenwert hat. Beispielsweise wird das Risiko einer Verletzung, die einer jungen Leistungssportlerin die Karriere zerstören kann, als zu gross wahrgenommen.

Obwohl viele von uns an Sportanlässen oder vor dem Fernseher mit unseren Athletinnen und Athleten mitfiebern und sich an deren Leistungen und an Sport allgemein erfreuen und davon mitreissen lassen, setzen nur die wenigsten für ihre Kinder oder sich selbst voll auf die Karte Leistungssport. Die Unsicherheit, den Durchbruch wirklich zu schaffen, erscheint sehr gross. Der Stolz auf Roger Federer, Jolanda Neff, Marco Odermatt, Mujinga Kambudji und viele weitere Weltklasseathletinnen und Weltklasseathleten aus der Schweiz ist zwar riesig – und trotzdem bleibt die Frage, was diese grossartigen Sportpersönlichkeiten gemacht hätten, wenn nichts aus der Sportkarriere geworden wäre.

Damit sich unsere Sporttalente nicht bereits in sehr jungen Jahren zwischen einer «sicheren» Ausbildung und einer «unsicheren» Sportkarriere entscheiden müssen, hat der Kanton St. Gallen beschlossen, diese jungen Talente bei der Vereinbarkeit von Leistungssport und einer beruflichen Grundbildung zu unterstützen. Es soll ihnen ermöglicht werden, einen Weg zu beschreiten und auf diesem Weg zwei Ziele zu erreichen. Deshalb bieten alle kantonalen Berufsfachschulen seit dem Schuljahr 2021/22 das Förderprogramm Leistungssport an. Dieses Förderprogramm unterstützt Leistungssportlerinnen und Leistungssportler in der Vereinbarkeit einer Ausbildung mit dem Trainings- und Wettkampfaufwand für eine zukünftige Karriere im Sport. Dabei kann der Weg für diese Talente zwar nicht vorgegeben oder gar mitgegangen werden, es können aber Steine aus dem Weg geräumt, eine Kurve begradigt oder eine grobe Steigung mit Stufen erleichtert werden.

Uns ist es ein Anliegen, unseren Sporttalenten neben einer Sportkarriere auch eine gute Bildung zu vermitteln. Mit engagierten Sportkoordinationspersonen, verständnisvollen Lehrpersonen, Berufsbildenden und Schulleitungen und einer engen Zusammenarbeit zwischen Lehrbetrieben, Schulen, Sportvereinen und -verbänden, Eltern und natürlich den Lernenden selbst möchten wir unsere Sporttalente auf diesem Weg, der zu zwei Zielen führt, unterstützen, damit wir uns auch in Zukunft an den Leistungen unserer Athletinnen und Athleten auf Weltklasseniveau erfreuen können.

Serge Ludescher
Berufsfachschulberater, Amt für Berufsbildung