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Publiziert am 25.04.2019 11:23 im Bereich Allgemein
Regierungsrat Fredy Fässler und Regierungsrat Beni Würth an der Medienorientierung 25. April

Die zwei eidgenössischen Volksabstimmungen vom 19. Mai 2019 haben für den Kanton St.Gallen grosse Tragweite: Nur ein Ja zum revidierten Waffengesetz sichert den Fortbestand der europäischen Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich und im Asylwesen, was den Kanton St.Gallen als Grenzkanton unmittelbar tangiert. Mit der STAF-Vorlage wiederum sollen international nicht mehr akzeptierte Steuerregeln abgeschafft, gute steuerliche Rahmenbedingungen für Unternehmen geschaffen und zudem die Finanzierung der AHV verbessert werden.

Der Vorsteher des Finanzdepartementes, Regierungsrat Benedikt Würth, sowie der Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartementes, Regierungsrat Fredy Fässler, haben heute die Haltung der Regierung zu den beiden eidgenössischen Vorlagen vom 19. Mai 2019 aufgezeigt. Zu beiden Vorlagen empfiehlt die Regierung den Stimmberechtigten ein überzeugtes Ja, denn eine Ablehnung hätte für den Kanton St.Gallen erhebliche negative Auswirkungen. 

Fortbestand der Schengen-/Dublin-Zusammenarbeit 

An der Änderung der Waffenrichtlinie, die von der Europäischen Union im Mai 2017 beschlossen wurde, konnte die Schweiz wesentlich mitwirken. Damit ist es gelungen, die berechtigten Anliegen des schweizerischen Schiesswesens und Schiesssports in die neue Waffenrichtlinie einzubringen. Namentlich können weiterhin die Armeewaffen nach dem Militärdienst übernommen werden, und im Schiesssport dürfen die Schützinnen und Schützen weiterhin auch halbautomatische Waffen verwenden, ohne dass psychologische Tests absolviert werden müssen. 

Die neuen administrativen Einschränkungen (Meldung halbautomatischer Feuerwaffen mit grossem Magazin, Nachweis der Schiesstätigkeit usw.) sind aus Sicht der Regierung verkraftbar. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Ablehnung der Vorlage als Bestandteil des sogenannten Schengen-Acquis unweigerlich zur Folge hätte, dass die bilateralen Abkommen zur Schengen-/Dublin-Zusammenarbeit dahinfielen. Dies geschieht automatisch, sofern nicht zwischen der Schweiz und der EU im Gemischten Ausschuss und mit einstimmigem Beschluss sowie binnen 90 Tagen eine neue Regelung vereinbart werden kann. Letzteres scheint der Regierung, auch im Licht der Brexit-Diskussionen, unwahrscheinlich.

Mit dem Wegfall der Schengen-Zusammenarbeit verlieren die kantonalen Polizeikorps wie auch das Grenzwachtkorps den Zugriff auf die europäischen Informations- und Fahndungssysteme. Anders als heute könnten die schweizerischen Behörden nicht mehr feststellen, ob bestimmte Personen im Schengen-Raum gesucht werden, und sie könnten auch selbst keine Fahndungen mehr ins Schengener Informationssystem einspeisen. Gerade in den Bereichen des Terrorismus und der organisierten Kriminalität wäre dies fatal. 

Auch im Asylbereich ergäben sich massive Nachteile. Die Behörden könnten nicht mehr prüfen, ob eine asylsuchende Person bereits in einem anderen europäischen Land Asyl beantragt hat – womit alle in europäischen Ländern abgewiesenen Asylsuchenden in der Schweiz ein zweites Gesuch einreichen könnten. Diese Personen könnten auch nicht mehr, wie heute, in das Erstasylland zurückgewiesen werden. Wenn man sich an die grosse Zahl von Asylsuchenden erinnert, die im Jahr 2015 auf der sogenannten «Balkanroute» über die Ostgrenze des Kantons St.Gallen in die Schweiz einreisten, wird ersichtlich, welch gravierende Nachteile ein Wegfall des Dubliner Erstasylabkommens für den Kanton St.Gallen nach sich zöge. 

Fällt die Schengen-Zusammenarbeit weg, ist hiervon auch der Tourismus massgeblich betroffen. Die Grenzen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten werden zu einer «Schengen-Aussengrenze», was aufgrund der notwendig werdenden Kontrolltätigkeit nicht nur den grenzüberschreitenden Reiseverkehr behindert, sondern auch für ausländische Reisende zu Einschränkungen führt: Diese müssten neben dem Schengen-Visum ein zweites Visum für die Schweiz beantragen oder auf Aufenthalte in der Schweiz verzichten. 

Ausgewogener Kompromiss bei Steuerreform und AHV-Finanzierung 

Attraktive, international akzeptierte Regeln über die Unternehmensbesteuerung sind enorm wichtig für die Standortattraktivität der Schweiz und die Rechts- und Planungssicherheit von Unternehmen sowie öffentlicher Hand. Dadurch werden Arbeitsplätze erhalten und die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden gesichert. Die STAF-Vorlage ist auf diese Ziele ausgerichtet. Sie steht im Einklang mit den internationalen Standards, führt zu attraktiven steuerlichen Rahmenbedingungen für alle Unternehmen und stellt mit verschiedenen Massnahmen die Ergiebigkeit der Steuereinnahmen sicher. Darüber hinaus schafft sie einen sozialen Ausgleich in Form einer Erhöhung der AHV-Finanzierung. Konkret sollen jährlich rund 2 Milliarden Franken mehr in die AHV fliessen. Das Gesamtpaket stellt einen ausgewogenen Kompromiss dar. 

Der Wegfall der besonderen Steuerregimes für überwiegend im Ausland tätige Unternehmen führt zur Wiederherstellung der internationalen Akzeptanz. Inskünftig werden alle in der Schweiz ansässigen Unternehmen nach den gleichen Regeln besteuert. Die heute bestehende Ungleichbehandlung von im Inland und im Ausland erzielten Gewinnen entfällt somit. Für Unternehmen, die von besonderen Steuerregimes profitieren konnten, wird sich die Steuerbelastung erhöhen. Alle anderen Unternehmen, namentlich KMU, können demgegenüber mit einer geringeren Gewinnsteuerbelastung rechnen. 

Die STAF-Vorlage sieht neue, jedoch den internationalen Standards entsprechende steuerliche Massnahmen vor. Die reduzierte Besteuerung von Erträgen aus Patenten und vergleichbaren Rechten mit der Patentbox und der zusätzliche Abzug für Forschungs- und Entwicklungskosten mit der Inputförderung dienen der Förderung von Innovationen. Durch den von 17 Prozent auf 21,2 Prozent erhöhten Anteil an der direkten Bundessteuer erhalten die Kantone zudem den notwendigen finanzpolitischen Spielraum, um die Gewinnsteuern zu senken. Mit der Ergreifung entsprechender Massnahmen können die Kantone ihre steuerliche Attraktivität halten. Die Steuerreform wird mittel- bis langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz erhöhen. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, dass Unternehmen hier weiterhin investieren und damit Arbeitsplätze erhalten sowie neue schaffen. 

Die Umsetzung der Vorgaben der STAF-Vorlage auf kantonaler Ebene wurde frühzeitig aufgegleist. Einerseits konnten damit Planungssicherheit geschaffen und Rahmenbedingungen für die st.gallischen Unternehmen rasch geklärt werden und anderseits hat die Bevölkerung bei der Abstimmung zur STAF-Vorlage auch Klarheit über die innerkantonale Umsetzung. Der Kantonsrat hat in der Februarsession 2019 eine entsprechende Vorlage verabschiedet, die freilich unter Vorbehalt der Annahme der STAF-Vorlage steht. 

Die St.Galler Vorlage beruht auf einem überparteilichen Kompromiss, der nicht nur verschiedene Massnahmen im Bereich der Unternehmensbesteuerung beinhaltet, sondern auch steuerliche Entlastungen bei den natürlichen Personen im Umfang von 25 Millionen Franken (insbesondere Erhöhung des Versicherungsprämienabzugs und des Fahrkostenabzugs) und eine Erhöhung der Familienzulagen um 30 Franken vorsieht. Sowohl gegen das geänderte Steuergesetz als auch gegen das Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Familienzulagen wurde das Referendum nicht ergriffen. Der Prozess zur Steuerreform ist im Kanton St. Gallen unter Vorbehalt der Annahme der STAF-Vorlage somit abgeschlossen. Die Änderungen treten per 1. Januar 2020 in Kraft.